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Protestbewegungen: Dezentrale Demos motivieren mehr Menschen

Woran entscheidet sich, ob eine Protestbewegung wächst oder abebbt? Das hängt auch davon ab, wie hoch die erwartete Beteiligung an den Demonstrationen ist.
Klimastreik
Dezentral organisierte Protestbewegungen wie Fridays for Future locken womöglich mehr Teilnehmerinnen und Teilnehmer an.

Wer eine größere Demonstration erwartet, geht weniger wahrscheinlich selbst hin. Diesen Schluss ziehen Forschende der Universität Hamburg aus einem Experiment zum globalen Klimastreik, zu dem »Fridays for Future« 2019 aufgerufen hatte. Die Strategie, statt einer zentralen Veranstaltung viele lokale Proteste zeitgleich zu organisieren, motiviert demnach eine höhere Zahl von Menschen.

Das Team um Johannes Jarke-Neuert befragte 1510 zufällig ausgewählte Erwachsene aus Berlin, Hamburg, München und Köln – zu drei verschiedenen Zeitpunkten. Zwei Wochen vor der Massendemonstration sollten die Teilnehmenden angeben, ob sie vorhaben, selbst mitzumarschieren. Außerdem sollten sie schätzen, wie viele aller Befragten an diesem Tag auf die Straße gehen würden. Kurz vor dem Klimastreik beantworteten die Freiwilligen diese Fragen noch einmal – mit einem Unterschied: Einem Teil von ihnen hatten die Wissenschaftler zuvor mitgeteilt, wie viele der Befragten tatsächlich protestieren wollten. Daraufhin passte diese Gruppe ihre Einschätzungen zur Gesamtteilnahme an. Hatte das Auswirkungen auf ihre Protestbereitschaft? In der Tat: Stieg die eingeschätzte Gesamtbeteiligung um einen Prozentpunkt, sank die Wahrscheinlichkeit, selbst an der Demonstration teilzunehmen, um etwa 0,7 Prozentpunkte. Veränderte sich die Annahme hingegen ins Negative, stieg die Chance auf eine Teilnahme.

Für die Wissenschaftler kommen verschiedene Erklärungen in Frage: Möglicherweise wirkt eine größere Menschenmenge abschreckend. Oder eine einzelne Person fühlt sich weniger bedeutungsvoll, wenn sich mehr Menschen als erwartet dem Protest anschließen. Zudem weisen die Forschenden darauf hin, dass das Ergebnis wohl anders ausgefallen wäre, wenn sich die Versuchsteilnehmer gekannt hätten. In diesem Fall wären soziale Normen und Gruppenzwang stärker zum Tragen gekommen. Die Experten haben auch einen PR-Tipp für den nächsten Protest der Klimabewegung: »Was die Kommunikationsstrategien betrifft, so scheint es ratsam, im Vorfeld eines weiteren globalen Klimastreiks konservative Schätzungen an die Medien weiterzugeben.«

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