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Hongkong: Proteste belasten die Psyche

Seit mehr als einem halben Jahr ist Hongkong Schauplatz andauernder Proteste. Wie Forscher feststellten, leiden die Menschen dort inzwischen vermehrt unter Depression und PTBS.
Tränengas und Demonstranten auf den Straßen Hongkongs im Dezember 2019.

Seit Juni 2019 gehen hunderttausende Menschen in Hongkong auf die Straße. Bei den Protesten kam es auch zu gewaltsamen Zusammenstößen mit der Polizei. Wie nun Forscher der University of Hong Kong feststellten, leidet unter der Situation zusehends die psychische Gesundheit der Menschen. Die Bewohner der chinesischen Sonderverwaltungszone melden vermehrt Symptome von Depression und Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS).

Neurologen und Psychiater um Michael Y. Ni und Gabriel M. Leung von der University of Hong Kong ermittelten aus den Daten einer zehnjährigen Langzeitstudie, dass 2019 fünfmal mehr Menschen als zuvor eine Depression entwickelten. Wie die Forscher außerdem im Fachjournal »The Lancet« berichten, zeigten die Menschen in Hongkong zirka sechsmal mehr Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung als in den Jahren zuvor. Damit dürfte schätzungsweise einer von fünf Bewohner Hongkongs unter psychischen Belastungen leiden. Das entspricht laut Ni, Leung und ihren Kollegen ungefähr dem psychischen Gesellschaftsbild nach einem bewaffneten Konflikt oder einem terroristischen Anschlag.

32 Prozent der Bevölkerung leiden unter einer PTBS

Die Erkenntnisse basieren auf einer Kohortenstudie, an der seit 2009 regelmäßig 18 000 erwachsene Menschen in Hongkong teilgenommen haben. Die Forscher haben die Daten der Kohortenstudie nun mit den Ergebnissen aus weiteren repräsentativen Umfragen mit weniger Teilnehmern – zwischen ungefähr 1200 und 1700 Bewohnern Hongkongs – verglichen. Sie befragten die Menschen 2019, dann 2017 während der »Regenschirm-Bewegung« sowie zwischen 2009 und 2014. Dabei zeigte sich, dass bis 2014 zirka zwei Prozent der Bevölkerung Anzeichen einer Depression zeigten. Während der »Regenschirm-Bewegung« stieg diese Zahl auf 6,5 Prozent an. 2019 waren es 11 Prozent. Im Fall von PTBS war der Anteil an der Bevölkerung von zwei Prozent im Jahr 2015 auf 32 Prozent im Jahr 2019 gewachsen. In absoluten Zahlen heißt das, ungefähr 1,9 Millionen Menschen in Hongkong zeigen Symptome einer PTBS.

Die Forscher betonen allerdings, dass sie keine Jugendlichen unter 18 Jahren befragt haben. Viele der Demonstranten gehören aber dieser Altersgruppe an. Ni und sein Team gehen daher davon aus, dass die tatsächliche Zahl der Betroffenen höher ausfällt. Außerdem haben sie nicht explizit die psychische Gesundheit von Polizisten untersucht. Die Wissenschaftler vermuten aber, dass sie ähnlich belastet sind wie die restliche Bevölkerung.

Auslöser für die Proteste in Hongkong war ein Gesetzesentwurf der Regierung, der vorsah, Straftäter in die Volksrepublik China ausliefern zu können. Der Gesetzesvorschlag war auf Grund der Proteste im September 2019 verworfen worden. Die Menschen setzten die Demonstrationen jedoch fort, um unter anderem den Rücktritt der Regierung zu erreichen und eine freie Wahl des Regierungschefs in der Sonderverwaltungszone durchzusetzen.

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