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Noch Mensch oder schon Roboter, noch Roboter aber fast Mensch — was ist heute, was ist morgen möglich.

Insekten müssen mit einem winzigen und äußerst primitiven Gehirn auskommen. Trotzdem fällt es ihnen nicht schwer, mit den komplexen Anforderungen einer unbeständigen Umwelt fertig zu werden, Nahrung aufzuspüren, Sexualpartner zu finden und Feinden auszuweichen. Von den Insekten hat Rodney Brooks, die große Robotik-Koryphäe vom Massachusetts Institute of Technology, viel gelernt. So baute er bereits in den späten achtziger Jahren den Roboter "Genghis" (Dschingis Khan), ein wespenähnliches Wesen, das erstaunliche Leistungen vollbrachte, obwohl es nur von einer Gruppe simpler Automaten gesteuert wurde. Genghis konnte sich mühelos auf unebenem Gelände umherbewegen und über alles hinwegkrabbeln, was sich ihm in den Weg stellte. Und sobald Menschen in seiner Nähe auftauchten, marschierte er schnurstracks auf sie zu. Genghis ließ sich dabei von seinen Sensoren leiten, die genau auf die charakteristische Infrarotstrahlung eingestellt waren, die Säugetiere durch ihre Körperwärme produzieren. Das revolutionär Neue an Genghis war, dass er ohne ein Gehirn auskam, das ihn fortlaufend und so umfassend wie möglich darüber informierte, was in seiner Umgebung vor sich ging — womit die herkömmliche Auffassung endgültig widerlegt war, dass Roboter ohne einen Zentralcomputer nicht funktionieren können, und dass sie desto besser funktionieren, je höher dessen Rechenleistung ist. Genghis konnte sich allein deswegen intelligent verhalten, weil ihm das Denken von seinem Körper abgenommen wurde, der unmittelbar auf alles reagierte, was seine Sensoren gerade registrierten. Inzwischen ist Brooks dazu übergegangen, Roboter zu bauen, die er nicht nur mit einem menschenähnlichen Körper und Gesicht, sondern außerdem mit einigen typisch menschlichen kognitiven und emotionalen Fähigkeiten ausstattet. Das Leistungsvermögen dieser Geschöpfe ist allerdings nicht sonderlich hoch. Nach wie vor scheitern sie kläglich an Aufgaben, die jedes dreijährige Kind im Handumdrehen löst. Doch trotz alle Rückschläge zweifelt Brooks nicht daran, dass die Zeit nicht mehr fern ist, in der die Roboter ihre Beschränktheit und Begriffsstutzigkeit völlig überwunden haben werden. Schon in den nächsten zwanzig Jahren, prophezeit er, wird es Computer geben, die es mit der Rechenleistung des menschliches Gehirns aufnehmen können oder sie vielleicht sogar deutlich übertreffen werden. Und in absehbarer Zukunft werden die Roboter derart intelligent geworden sein, dass man ihnen unweigerlich die der menschlichen Gattung eigentümlichen Kompetenzen und einen autonomen Willen zusprechen und ihnen schließlich sogar elementare Rechte zuerkennen wird. Dass diese künstlichen Lebewesen jemals außer Kontrolle geraten und die Macht an sich reißen könnten, schließt Brooks allerdings kategorisch aus. Die Roboter, versichert er, sind schlicht deswegen nicht zu fürchten, weil der menschliche Organismus, der in seinen Augen selbst nur eine aus Biomolekülen zusammengesetzte Maschine ist, mehr und mehr technisch aufgerüstet werden wird und sich ihr deshalb immer weiter angleichen wird. Schon heute hat man damit begonnen, lebende Zellen in Roboter zu integrieren und umgekehrt Chips in tierisches und menschliches Gewebe zu implantieren. Und schon bald, verkündet Brooks, wird es möglich sein, den menschlichen Körper durch Chip-Implantate zu optimieren und die Denkkapazität des Gehirns dadurch ins Unermessliche zu steigern, dass man es drahtlos mit dem Internet verbindet. Brooks’ Fazit: Die Zukunft gehört den Roboter-Menschen, die alle Trümpfe in der Hand halten werden, weil sie von den Vorzügen der Maschine im selben Maße profitieren können werden wie vom gesamten Erbe ihrer biologischen Evolution. Doch diese Wesen werden den Robotern immer einen Schritt voraus sein, weil sie beides in einem sein werden: Menschen und Roboter. Um es ohne Umschweife zu sagen: Brooks’ Zukunftsszenario und sein Traum von der segensreichen Herrschaft des Roboter-Übermenschen sind philosophisch naiv, soziologisch blind und politisch gefährlich. Aber die Passagen seines Buches, in denen er sich mit den Fähigkeiten und Grenzen heutiger Roboter befasst, sind eine Offenbarung, denn hier schreibt ein Genie — wenn auch ein halbverrücktes. Ein ebenso aufschlussreiches wie provokatives Buch, das man gelesen haben sollte.

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