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Ein Wegweiser durchs Labyrinth des Wissens

Dieses Buch ist kurz vor der NSA-Affäre entstanden, also bevor der Informant Edgar Snowden enthüllte, in welchem Ausmaß Geheimdienste wie die amerikanische National Security Agency über kommerzielle Datennetze auf private Informationen zugreifen. Somit muss "Die Macht der Daten" einen Härtetest bestehen: Verfällt der Autor in kritiklose Begeisterung über die enormen Chancen moderner Vernetzung, oder sieht er auch die gewaltigen Risiken?

Diese Hürde nimmt das Werk recht achtbar. "Schlimmstenfalls könnte das Internet zum perfidesten Werkzeug der Repression werden, das es je gab", warnt Uwe Saint-Mont eindringlich. "Eine moderne Geheimpolizei könnte sich ein detailliertes, aktuelles Bild von jedem und allem machen – Flucht in den Untergrund unmöglich." Als der Autor das schrieb, konnte er noch nicht ahnen, wie weit es bereits Realität geworden war. Er betont vor allem die Chancen, die ein offenes Netz für basisdemokratische Entscheidungsprozesse bietet, und setzt große Hoffnungen in die – mittlerweile weitgehend marginalisierte – Piratenpartei.

Abgesehen davon gewährt das Buch einen soliden Überblick über alles, was mit dem Sammeln, Ordnen und Deuten von Daten zusammenhängt. Der Autor ist Professor für Informationssysteme und Wirtschaftsstatistik an der Fachhochschule Nordhausen in Thüringen, hat aber auch über Wissenschaftstheorie publiziert. In vier Abschnitten behandelt er die Themenbereiche Statistik, Informatik, Wissenschaft und Philosophie. So entsteht kein trockenes Lehrbuch, sondern ein anekdotenreicher Ausflug, der diverse Themen aus der Informations-, Bildungs-, Wirtschafts- und Gesundheitspolitik streift. An keiner Stelle hält Saint-Mont mit seiner eigenen, sehr dezidierten Meinung hinterm Berg. Auch wenn man ihm nicht in allem zustimmt, wird man gut unterhalten und informiert.

Im letzten Abschnitt zur Philosophie zielt der Autor aufs große Ganze. Er spricht sich klar für eine rationale, der Empirie verpflichtete Denkkultur aus, die er von einer nicht näher bestimmten "kritischen" Philosophie absetzt. Seine Polemik gegen Gegner, die er nicht benennt – meint er die Gesellschaftskritik der von Max Horkheimer (1885-1973) und Theodor W. Adorno (1903-1969) begründeten Frankfurter Schule? – finde ich schwach. So zementiert der Autor bloß die leidige Kluft zwischen den "zwei Kulturen" Natur- und Geisteswissenschaften.

Auch mit seinen Ausflügen in die Naturphilosophie begibt Saint-Mont sich auf dünnes Eis. Er erwärmt sich einerseits für die strittige Spekulation, die Quantentheorie enthülle "Information" als eigentliches Wesen der Realität, und lobt andererseits den amerikanischen Physiknobelpreisträger Robert B. Laughlin für dessen überzogene Kritik an der vermeintlich allzu spekulativen theoretischen Physik.

Doch wie sagte Goethe: Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen. Alles in allem ein überraschend vielseitiges Buch, das einem trockenen Thema viele bunte Facetten abgewinnt.

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