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Rauch auf Abwegen: Wie Waldbrände den Wein verderben

Unangenehmer Rauchgeruch, ausgelöst durch Waldbrände, wird zum Problem für viele Weinregionen. Schuld sind der Mensch, das Klima - und ein kurioser chemischer Effekt.
Ein Feuer an einem bewaldeten Hang erzeugt sehr viel Rauch.

Wer Wein trinkt, muss sich in Zukunft auf böse Überraschungen gefasst machen: Zu den Geschmackskomponenten auch guter Weine könnte sich immer häufiger ein unangenehmes, aschiges Aroma gesellen. Schuld daran sind die immer häufiger und größer werdenden Waldbrände – und die Chemie der Trauben, durch die sich der Fehlgeschmack unbemerkt bis in die Flasche schleicht.

Zieht der Rauch der Feuer durch die Weinberge, nehmen die Trauben die unangenehm riechenden Moleküle auf. Kurz vor der Ernte sind die Trauben besonders anfällig für den Einfluss des Feuers. Die Weine aus den betroffenen Trauben enthalten mehr Phenole wie Guajacol, die gleiche Molekülklasse, die auch den erwünschten Rauchgeschmack in Whisky erzeugt. Beim Wein allerdings sind diese Aromen unerwünscht – man wird sie aber nicht so einfach los.

Wie der Waldbrand in den Wein kommt

Die Pflanzen nehmen die Stoffe aus dem Rauch über ihre Blätter und die reifenden Trauben auf – aber dann verschwinden die unangenehmen Moleküle erst einmal. Wie Fachleute bei Kelterversuchen mit rauchgeschädigten Trauben feststellten, merkt man weder den Früchten noch dem gärenden Wein den zukünftigen Rauchgeschmack an. Erst im Lauf der Zeit setzt der Beerensaft die unangenehmen Aromen frei – und beim Öffnen der Flasche erweist sich der zuvor unauffällige Wein als ungenießbar.

Aufgefallen ist der Effekt zuerst in Australien, wo Winzer schon vor mehr als einem Jahrzehnt nach kontrollierten und unkontrollierten Buschfeuern auf den Rauchgeschmack stießen. Doch inzwischen steigt die Brandgefahr auch in anderen Weinbauregionen deutlich. So in Europa: 2017 brannten große Flächen in Spanien und Portugal. Bekanntester Schauplatz des Waldbrandproblems ist derzeit aber Kalifornien. Der US-Bundesstaat ist nicht nur eine der bedeutendsten Weinregionen der Welt, sondern macht auch mit immer größeren Feuern Schlagzeilen.

Die Kombination von Wein und Waldbrand ist kein Zufall: Wein freut sich über konstante Wärme und Sonnenschein vom Frühling bis zum Herbst – und die trockene Vegetation fängt im Herbst leicht Feuer. Menschlicher Einfluss auf die betreffenden Landschaften lässt die Brandgefahr weitersteigen, ebenso wie der Klimawandel, durch den viele Regionen ähnlich wie Kalifornien wärmer und trockener werden. Dieser Zusammenhang führt dazu, dass Weine weltweit vom perfiden Raucharoma bedroht sind – und Produzenten von Australien bis Chile rätseln, wie groß das Problem tatsächlich ist.

Ein kompliziertes chemisches Versteckspiel

Zwischen der Rauchwolke im Weinberg und dem Rauchgeschmack im Mund liegt eine komplexe, nur teilweise aufgeklärte biochemische Reaktionskette. Bekannt ist immerhin, auf welche Weise sich die Geschmacksstoffe tarnen. Wie sich herausstellte, macht das die Pflanze selbst. Mit speziellen Enzymen, den Glycosyltransferasen, koppelt sie einen oder mehrere Zuckerbausteine an die Moleküle aus dem Rauch. Dadurch werden sie gut wasserlöslich und viel größer und schwerer. Die Veränderung tarnt sie nicht nur vor den Rezeptoren menschlicher Fachleute, sondern auch vor der hochspezifischen Analytik, mit der die Weinindustrie heutzutage die Qualität ihres Produkts überwacht.

Erst im Lauf der Gärung kommen die Phenole wieder zum Vorschein. Die Hefe spaltet die Verbindung zwischen ihnen und den Zuckern, und wenn der Wein aus der Flasche kommt, ist der Rauchgeschmack wieder da. Bisher gibt es keine guten Gegenmaßnahmen. Klassische Verfahren, zum Beispiel den Wein mit Aktivkohle zu behandeln, entfernen nicht alle störenden Moleküle – aber dafür andere, die für Farbe und Geschmack des Weins wichtig sind.

Außerdem gibt es Indizien, dass ein Teil der Phenole auch andere Reaktionsketten durchläuft und dass die Kopplung an den Zucker nur eine Stufe eines komplexeren Reaktionsgeschehens ist. Ob technische Gegenmaßnahmen aussichtsreich sind, zum Beispiel spezifische Absorbermoleküle, die unerwünschte Phenole und ihre Vorläufer aus dem Wein ziehen, oder Hefen, die Phenole nicht mehr freisetzen, ist deswegen noch unklar. Sicher ist allerdings: Die Ursache des Problems geht nicht weg. In fast jeder Weinregion der Welt steigt die Gefahr durch Wald- und Buschbrände.

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