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Ökologie: Wie sich Humboldts Vegetationszonen verändert haben

Das »Tableau Physique« von Alexander von Humboldt gehört zu den berühmtesten Bildern der Naturgeschichte. Ökologen haben die Originalplätze nun wieder besucht.
Der Vulkan Antisana in Ecuador

Das »Tableau Physique« von Alexander von Humboldt aus dem Jahr 1807 ist wohl die berühmteste Kartierung von Vegetationszonen im Gebirge – und die älteste, die in den Tropen entstand. Sie zeigt die Abfolge verschiedener Ökosysteme in den Anden Ecuadors vom immerfeuchten, heißen Tieflandregenwald bis zum vergletscherten Gipfel der großen Vulkane des Landes. Und sie lässt Rückschlüsse darauf zu, welche Pflanzenarten damals in welcher Höhenzone wuchsen – denn auch das hatten Humboldt und sein Reisegefährte Aimé Bonpland akkurat vermerkt. Die Karten haben die biogeografische Forschung bis heute beeinflusst. Pierre Moret von der Université de Toulouse und sein Team haben nun erstmals die zwischen 1799 und 1804 erhobenen Daten der beiden damaligen Forschungsreisenden kritisch überprüft und mit heutigen Aufnahmen verglichen, wie sie in der »PNAS« erläutern.

Das ursprüngliche Diagramm zeigt die Vegetationszonen am 6267 Meter hohen Chimborazo, doch tatsächlich stammen die Angaben zur Pflanzenwelt jenseits der Baumgrenze vom mit 5753 Meter deutlich niedrigeren Antisana, wie Moret und seine Kollegen herausgefunden haben. Die Darstellung der Karte basieren daher laut der Rekonstruktion auf unbestätigten und teilweise sogar falschen Daten, welche Humboldt in späteren Publikationen seines Werks beständig zu korrigieren versuchte. Das lege zumindest eine Analyse späterer und bislang weniger beachteter historischer Dokumente von Humboldt nahe, schreiben die Wissenschaftler – was allerdings auch Konsequenzen für die heutige Klimafolgenforschung bedeute.

Humboldts Aufzeichnungen wurden beispielsweise auch dazu genutzt, um die sich mit der Erderwärmung verändernde Gebirgsvegetation in den Anden im Lauf der Zeit vergleichen zu können. Basierend auf dem »Tableau Physique« wurde teilweise angenommen, dass sich die Vegetationszone am Chimborazo seit Anfang des 19. Jahrhunderts um 500 Meter nach oben verschoben hätte: Humboldt und Bonpland hatten dort jenseits von 3625 Metern keine Pflanzen mehr gesammelt. Zudem lag die von Humboldt damals tatsächlich festgestellte Vegetationsgrenze um 260 Meter höher, als sie später im »Tableau Physique« angegeben wurde, wie die Aufzeichnungen verrieten.

Tableau Physique | Humboldt war der erste westliche Wissenschaftler, der die Vegetationszonen der Anden klassifizierte und kartierte. Diese Abbildung prägt die biogeografische Forschung bis heute. In der Karte ist bereits ein Hinweis auf die Höhle, die die Wissenschaftler aktuell besuchten.

Ein Vergleich hätte daher mit dem Antisana stattfinden müssen, was Moret und Co nun nachholten – und diese Ergebnisse passen besser zu Daten aus anderen Regionen der Anden und weltweit. In den letzten Jahrzehnten wanderte die Vegetationsgrenze demnach zwischen 215 und 266 Meter am Antisana nach oben. Jüngere Daten aus verschiedenen Gebirgszügen zeigen, dass sich dort die Vegetation während der letzten Jahrzehnte um zehn bis zwölf Meter pro Dekade nach oben bewegt hat. Hochgerechnet läge der Antisana damit voll im Trend. Historische Daten aus der Literatur müssten also sorgfältig geprüft und mit Vorsicht behandelt werden, bevor man daraus Trends bis heute ableitet, mahnen Moret und sein Team. Zudem gelang den Wissenschaftlern eine kleine historische Wiederentdeckung der Wissenschaftsgeschichte: Sie fanden am Antisana eine Höhle wieder, an der Bonpland und Humboldt 1802 stoppten, um Pflanzen zu sammeln.

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