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Bäume: Wie der Ginkgobaum alt wird, ohne zu altern

Wer wird über 1000 Jahre alt und bleibt trotzdem topfit? Ein Ginkgobaum. Ein Forscherteam will sein Anti-Aging-Rezept entschlüsselt haben.
Ginkgo

Ein stark genutzter Apfelbaum im Garten hat meist schon nach 50 Jahren einen Großteil seiner Lebenskraft eingebüßt, eine Fichte zeigt hier zu Lande erst nach 300 Jahren deutliche Alterserscheinungen. Ein Ginkgo hingegen kann mit über 600 Jahren noch gesund und vermehrungsfähig sein. Ginkgobäume (Ginkgo biloba), die letzten lebenden Vertreter der Ginkgoales, einer Gruppe der Samenpflanzen, die auch als lebende Fossilien bezeichnet werden, können sogar über 1000 Jahre alt werden. Wie sie sich dabei ihre lange Jugend behalten, hat nun ein Team um Richard Dixon und Jinxing Lin von der University of North Texas und der Beijing Forestry University untersucht. So kurbeln die Zellen von alten Bäumen beispielsweise die Herstellung von Stoffen an, die sie widerstandsfähiger machen, schreibt das Team im Fachblatt »PNAS«.

Pflanzen haben oft riesige Genome. Sie zu durchforsten, ist mühsam. Weil Bäume außerdem recht langsam wachsen, sind sie keine beliebten Objekte für Altersstudien. Das Forscherteam um Dixon und Lin ließ sich davon nicht entmutigen. Um hinter das Anti-Aging-Geheimnis des Ginkgos zu kommen, setzten die Wissenschaftler auf verschiedenen Ebenen an. Zunächst untersuchten sie den Durchmesser und die Jahresringe von insgesamt neun Bäumen, die sie drei Altersgruppen zuteilten: Die jüngsten waren um die 20, die mittelalten um die 200 und die ältesten drei Exemplare zirka 600 Jahre alt. Den Botanikern fiel auf, dass die Stämme der ältesten Bäume wie erwartet am dicksten, ihre Jahresringe jedoch am dünnsten waren.

Den Grund dafür fanden sie in einer Schicht unterhalb der Baumrinde, dem Kambium. Es ist für das Dickenwachstum des Stammes zuständig und besteht aus undifferenzierten, teilungsfähigen Zellen, die laufend neues Gewebe produzieren: Holz, das nach innen abgeschieden wird, und Rinde, die außen angelagert wird. Die Forschergruppe stellte fest, dass die Zahl der Kambiumzellen mit dem Alter der Bäume abnimmt. Vermutlich deshalb werden die Jahresringe immer dünner. Insgesamt wächst die Fläche des Stammes aber über das gesamte Leben hinweg etwa gleich schnell. Daraus schloss das Team: Das Kambium hält seine Aktivität über Hunderte oder gar Tausende von Jahren aufrecht.

Das genügte dem Team aber als Antwort noch nicht. Was genau im Kambium der Methusalems vor sich geht, sollten moderne Sequenziermethoden zeigen, mit denen sich erfassen lässt, welche Gene in den Zellen aktiv sind. Dabei stellten die Forscher fest, dass Ginkgos sehr wohl Gene ablesen, die bei Pflanzen bekanntermaßen Alterungsprozesse auslösen. Sie fanden hierbei jedoch keinen Unterschied zwischen jungen, mittelalten und jahrhundertealten Ginkgos.

Gleichzeitig lassen aber selbst hochbetagte Bäume nicht davon ab, Gene abzulesen, die der Abwehr von Krankheiten dienen. Außerdem stellen sie den Forschern zufolge größere Mengen bestimmter Pflanzenhormone her: Im Kambium der 600 Jahre alten Bäume fanden sie eine etwa doppelt so hohe Konzentration an Abscisinsäure wie bei jungen. Diese Verbindung dient der Abwehr von Schädlingen und schützt Pflanzen auch zum Beispiel vor vorzeitiger Keimung, Trocken- sowie Kältestress. Durch eine Anpassung seiner Genexpression und der Aktivität seines Kambiums gelinge es dem Ginkgo, die Balance zwischen Wachstum und Altern zu halten. Laut dem Forscherteam könnte sich das bei anderen Baumarten, die zum Teil noch älter werden, ähnlich verhalten. Zu den Spitzenreitern gehört die Langlebige Kiefer (Pinus longaeva): Die bislang ältesten bekannten Exemplare der Art sind fast 5000 Jahre alt.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels schrieben wir »Insgesamt aber wächst der Stamm über das gesamte Leben hinweg gleich schnell in die Dicke.« Wir haben diese Aussage nun präzisiert.

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