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Kein Babyboom?: Wie Corona den Kinderwunsch beeinflusst

Die Pandemie lässt Menschen anders über Nachwuchs denken. Manche verschieben wegen der Krise die Schwangerschaft. Andere sagen: jetzt erst recht.
Vater mit Baby

Eine Untersuchung aus Italien wirft deutliche Zweifel am von einigen Fachleuten prophezeiten Coronavirus-Lockdown-Babyboom auf. Umfragen hatten zwar ergeben, dass vor allem junge Paare viel häufiger Sex haben – allerdings ist Nachwuchs oft eine davon unabhängige Entscheidung. Wie ein Team um Gianmartin Cito von der Universität Florenz im »Journal of Psychosomatic Obstetrics and Gynecology« berichtet, fällt die in der Pandemie sehr gemischt aus. Mehr als ein Drittel jener Befragten, die vor der Krise ein Kind wollten, haben es sich wegen des Coronavirus erst einmal anders überlegt. Umgekehrt wiederum entwickelte sich bei elf Prozent der zuvor kinderwunschlos Glücklichen während der Krise das Bedürfnis nach Nachwuchs.

Die Gruppe um Cito verwendete einen Onlinefragebogen, um in der dritten Woche des Lockdowns in Italien insgesamt 1482 Personen zu befragen, die seit mindestens zwölf Monaten in einer festen Beziehung sind. Die Stichprobe ist nicht repräsentativ; Frauen, hohe Bildungsabschlüsse und vermutlich auch Personen ohne Kinderwunsch sind deutlich überrepräsentiert. Deswegen sind nur sehr allgemeine Trends interpretierbar. Die Studie zeigt allerdings, dass die Corona-Pandemie einen großen Einfluss darauf hat, wie Menschen über Nachwuchs nachdenken.

Der gehe jedoch in unterschiedliche Richtungen, schreibt die Arbeitsgruppe. Während ein Teil der Befragten den Kinderwunsch wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage aufschob, wünschte sich ein anderer Teil nun gerade deswegen ein Kind, um der Situation etwas Positives entgegenzusetzen. Auch eine mögliche Unfruchtbarkeit durch das Coronavirus zitierten Befragte als Grund, jetzt schnell noch ein Kind zu machen. Andere Personen mit Kinderwunsch schreckten die möglichen Folgen einer Infektion in der Schwangerschaft ab.

Welche Auswirkungen die widerstreitenden Effekte auf die Geburtenrate haben werden, sei unbekannt, schließen Cito und sein Team. Zwar stieg insgesamt der Anteil jener mit Kinderwunsch von etwa 18 auf knapp 21 Prozent, allerdings plante auch nur ein Fünftel der Befragten schon vor der Pandemie, ein Kind zu bekommen – und ein beträchtlicher Teil dieser Gruppe verschob den Nachwuchs. Umgekehrt versuchte bloß ein winziger Anteil jener, die sich wegen der Pandemie plötzlich Kinder wünschten, auch tatsächlich aktiv, Nachwuchs zu zeugen. Die Zahlen sprechen also eher gegen einen Babyboom im nächsten Winter. Eine letzte Möglichkeit allerdings bleibt: Die strenge Ausgangssperre könnte den Zugang zu effektiver Verhütung entscheidend eingeschränkt haben.

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