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Glaube: Weniger Religion, mehr Wohlstand

Schwächt allgemeiner Wohlstand den Glauben? Oder sorgt vielmehr die Säkularisierung für einen breiter verteilten Reichtum?
Betende Hände

Einige der reichsten Nationen der Welt sind gleichzeitig auch die am wenigsten religiösen – darunter Deutschland. Umgekehrt sind gerade Menschen in sehr armen Staaten laut den Statistiken besonders gläubig. Die Ölstaaten am Golf bilden hiervon wohl eine Ausnahme, ebenso wie die USA, die unter den westlichen Industriestaaten wahrscheinlich die höchste Zahl an bekennenden Gläubigen aufweisen. Einige Wissenschaftler vermuten einen Zusammenhang. Nur: welchen? Führt wachsender Wohlstand zu einem Rückgang an Religiosität?

Davon gingen viele Sozialwissenschaftler in der Vergangenheit aus. Wissenschaftler um Damian Ruck von der University of Bristol drehen dies nun mit einer neuen statistischen Analyse in »Science Advances« um: Ihre Daten legen nahe, dass die Säkularisierung dem Wohlstandsgewinn vorausgegangen ist – und womöglich sogar die Voraussetzung dafür war.

Sie werteten dazu Kennziffern der Säkularisierung aus 109 Ländern im Zeitraum von 1910 bis 2014 aus, mit eindeutigem Befund. »Unsere Ergebnisse zeigen, dass Gesellschaften sich zuerst säkularisierten und danach wohlhabender wurden – und nicht andersherum«, so Ruck. Je mehr die Werte für Säkularisierung anstiegen, desto stärker schlug sich das daraufhin im Bruttosozialprodukt nieder. Das galt kultur- und religionsübergreifend, zum Beispiel für Großbritannien, Chile, Nigeria und die Philippinen – alle zeigten das gleiche Muster.

Der Zusammenhang wurde im Lauf der Zeit sogar noch stärker: In den 1990er Jahren etwa erklärte das Ausmaß der Säkularisierung rund 40 Prozent der Unterschiede der wirtschaftlichen Entwicklung von Staaten. Ruck meint allerdings selbst, dass man bei der Interpretation zurückhaltend sein solle: »Es handelt sich um eine Korrelation und nicht unbedingt um einen kausalen Zusammenhang. Wir haben auch bemerkt, dass zunehmende Säkularisierung nur dann zu einer besseren wirtschaftlichen Entwicklung führt, wenn gleichzeitig individuelle Rechte gestärkt werden.«

Dem schließt sich der an der Studie beteiligte Alex Bentley von der University of Tennessee an: »Abnehmender Glaube und wirtschaftlicher Aufschwung könnten durch einen dritten Faktor ausgelöst worden sein, der beidem vorausging. Doch immerhin können wir ausschließen, dass das Wirtschaftswachstum die Säkularisierung verursachte.« Das Bildungsniveau scheint jedoch nicht dieser dritte Faktor zu sein, obwohl das naheliegen würde. Stattdessen scheinen gestärkte Frauenrechte die Ursache zu sein. Denn als Frauen vermehrt Zugang zu Bildung und Arbeit erhielten, nahm der Glaube ab und das Vermögen breiter Bevölkerungsschichten zu. Diesen Zusammenhang gelte es als Nächstes zu prüfen, so die Wissenschaftler.

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