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»Smovey-Training«: In Form geschwungen, fit vibriert?

Smovey-Ringe sind mehr als nur Hanteln. Dank ihrer Vibrationen sollen sie Körper und Geist stärken, sagen Fans. Was sagt die Forschung?
Was bringen die Ringe?

Von rhythmischem Schnarren begleitet schreitet eine Gruppe im Gleichschritt durch einen Park, stellt sich dann im Kreis auf: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bewegen auf das Kommando eines Übungsleiters ihre Arme in Auf-, Ab- und Drehbewegungen, die Beine arbeiten mit. In jeder Hand haben sie alle ein grellgrünes, ringförmiges Gerät: einen Smovey-Ring.

So oder so ähnlich kann man sich ein typisches Training mit den ungewöhnlich aussehenden Sportgeräten vorstellen. In einer zu einem Ring geformten und mit einem Griff versehenen Plastikröhre bewegen sich vier Stahlkugeln frei hin und her. Die Röhren haben dabei Querrippen in ihrem Innern. Wer die Geräte mit ausladenden Armbewegungen schwingt, hat also nicht nur ein Gewicht in der Hand, sondern erzeugt durch die Fliehkräfte zusätzlich eine deutlich spürbare Vibration, während die Kugeln durch die Röhren rumpeln. »Aus den Größen der Bauteile und der Geschwindigkeit der Bewegung ergeben sich verschiedene Frequenzbereiche, die sich positiv auf den Organismus auswirken«, heißt es auf der Website des Herstellers.

Zum Beispiel sollen die Geräte unter anderem den Gleichgewichtssinn und die Muskeln stärken, die Gefahr von Stürzen mindern, Konzentration und Koordination fördern und sich positiv auf die Verdauung, das Immun- und Lymphsystem auswirken. Kann das stimmen?

Erdacht hat das System ursprünglich der Österreicher Johann Salzwimmer. Er lebte schon seit einigen Jahren mit der Diagnose Morbus Parkinson und entwickelte auf der Suche nach Wegen, seine eigenen Symptome zu lindern, die ersten Versionen des vibrierenden Ringsystems. Das war Mitte der 2000er Jahre. Zu kaufen gibt es die Smoveys mittlerweile schon seit einigen Jahren, etwa im Onlineshop des Herstellers ab einem Preis von rund 100 Euro für zwei Ringe. Außerdem werden regelmäßig Trainerinnen und Trainer für Smovey-Kurse geschult.

Das heißt, mit den Geräten wird in erster Linie Geld verdient. Und wie so häufig, wenn Hersteller sich gegen Konkurrenten behaupten müssen, sollen zahlreiche Werbeversprechen die Konsumenten davon überzeugen, dass ihr Produkt besser ist als die aller anderen.

Studien mit Smovey-Geräten fehlen

Wer aber versucht, Beweise oder zumindest belastbare Argumente für all diese Behauptungen zu finden, hat es schwer. Denn um zweifelsfrei festzustellen, ob die grünen Ringe wirklich all das einhalten, was die Werbung verspricht, braucht es Studien.

© Lightness of Living
Workout mit den Smovey-Ringen
Die Übungen mit den Smovey-Ringen erinnern an Gymnastik mit Hanteln. Der Clou stecke in den Vibrationen, die durch das Rollen der Kugeln erzeugt werden, sagt der Hersteller.

Wissenschaftliche Untersuchungen von unabhängigen Forschenden, mit großen Probandenzahlen, bei denen die Wirkung der Geräte auf den Körper im Vergleich mit anderen Sport- oder Rehabilitationsmethoden untersucht wird – möglicherweise auch im Vergleich mit einer Kontrollgruppe, die im gleichen Zeitraum keine oder andere Übungen macht. Solche Studien sind aufwändig, teuer und aus diesem Grund häufig nicht existent. So auch in diesem Fall.

»Wir sind gerade dabei, genauer zu untersuchen, welche Prozesse die Smovey-Geräte im Körper ansprechen«, sagt Gerda Delaunay von der smovey GmbH. Sie ist bei dem Hersteller für den Bereich Aus- und Weiterbildung zuständig. Als Doktorandin an der University School of Physical Education Breslau arbeitet Delaunay außerdem an einem Forschungsprojekt über den Effekt der Smovey-Geräte auf Jugendliche. In mehreren Tests sei, so Delaunay, untersucht worden, wie sich regelmäßiges Training mit den Geräten auf den Gleichgewichtssinn, auf die Stabilität im Körper und auf kognitive Prozesse, wie etwa Gedächtnis oder Konzentrationsfähigkeit, auswirkt. Die Ergebnisse werden derzeit ausgewertet und wurden noch nicht veröffentlicht.

Vibration fordert Körper und Gehirn

Darüber hinaus gibt es bisher nur wenig, was eine Wirksamkeit dieser ringförmigen Geräte belegt. Wo solche Untersuchungen fehlen, können aber Studien Hinweise geben, die das dahinterstehende Prinzip getestet haben: Neben dem kräftigenden Effekt, der durch einfache Körperübungen mit den Gewichten erzeugt wird, und einem Koordinationstraining, das automatisch stattfindet, wenn man die tanzschrittähnlichen Übungen durchführt, wirken die Smoveys vor allem über Vibration. Den Körper regelmäßig spürbar durchzuschütteln, ist eine übliche Methode in vielen Bereichen der Rehabilitationsmedizin und auch unter Hobbysportlern beliebt: Fitnessstudios bieten häufig Rüttelplatten an, auf denen man mit einfachen Übungen Stabilität im gesamten Körper trainieren kann.

Wer auf einer vibrierenden Platte steht, sorgt nämlich dafür, dass sich Muskeln im ganzen Körper aktivieren, um die Erschütterungen auszugleichen. Nicht nur die Muskeln, die man im Körper bewusst anspannen und damit leicht trainieren kann, sondern auch jene Zwischenmuskulatur, die sich nicht aus eigenem Antrieb anspannen lässt, die aber im gesamten Körper für Stabilität zuständig ist. Das ist möglich, weil die Vibration sozusagen eine direkte Verbindung zum zentralen Nervensystem anregt, das unwillkürlich Reize aussendet – beispielsweise Signale an Muskeln, die sich reflexartig kontrahieren.

Für Sportler und in der Rehabilitationsmedizin ist der Nutzen bereits gut belegt: Gezieltes Training auf einem vibrierenden Untergrund sorgt für mehr Stabilität von Gelenken. Es ist deshalb eine übliche Methode in der Rehabilitation von verletzten Gelenken. Eine Übersichtsarbeit im Fachmagazin »Frontiers in Neurology« zeigte zudem, dass eine Vibrationstherapie Menschen im hohen Alter helfen kann, einen stabilen Gang zu trainieren. Außerdem kann ein solches Training – wie eine weitere Übersichtsarbeit ergab – einer Osteoporose, also dem Abbau von Knochenmasse, vorbeugen, der für Menschen mit zunehmendem Alter typisch ist. Eine höhere Anfälligkeit für Stürze und Knochenbrüche ist häufig Ursache schwerer Verletzungen im Alter.

»Die Befunde und Meinungen zur Vibrationstherapie fallen insgesamt sehr unterschiedlich aus – auch weil einige Bereiche noch nicht gut erforscht sind«, sagt der Sportwissenschaftler René Schwesig. Er leitet das Forschungslabor für Experimentelle Orthopädie und Sportmedizin an der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Seiner Einschätzung nach hat Vibrationstraining – wenn es korrekt eingesetzt wird – Potenzial, wenn es etwa um Therapien für Menschen mit Nervenerkrankungen geht, als Teil einer Auswahl von mehreren Bewegungs- und Koordinationstherapien.

Einsatz in der Reha

Forschung gibt es dazu bereits: Patientinnen und Patienten, die an multipler Sklerose erkrankt sind, können einer Metaanalyse zufolge von solchen Therapien profitieren. Für Parkinsonerkrankte zeigen Studien vereinzelt ebenfalls positive Effekte auf die Stabilität des Gangs und den Gleichgewichtssinn. Insgesamt liefern Studien allerdings widersprüchliche Ergebnisse zur Frage, ob ein solches Training größere Effekte hat als etablierte Methoden, wie es eine Metaanalyse aus dem vergangenen Jahr belegte.

Für die Reha von Krebspatientinnen wurden sogar schon einmal Smovey-Geräte in Studien eingesetzt: Ein Forscherteam der Medizinischen Universität Wien untersuchte, wie gut türkischstämmige Frauen, die gerade eine Brustkrebstherapie hinter sich haben, das Training damit annehmen und ob sie sogar Monate, nachdem die angeleiteten Kurse geendet haben, noch eigenmächtig zu Hause weitertrainieren. In dieser und auch einer anderen Untersuchung zeigte sich, dass die Patientinnen das Training größtenteils weiterführten. Doch allein schon wegen der sehr geringen Probandenzahlen – es nahmen nur fünf beziehungsweise zehn Frauen teil – lässt sich nichts dazu sagen, ob und wie sehr das Training mit den Ringen Kraft, Ausdauer oder andere Gesundheitswerte verbesserte. Und ebenso, ob die Smovey-Methode sich besser eignet als konventionelle Reha-Methoden, bestätigten die Untersuchungen nicht.

Studienergebnisse sind nicht übertragbar

Überhaupt lassen sich keine Erkenntnisse aus der Rehamedizin anwenden, wenn es darum geht, wie gut die Geräte funktionieren. Ein Smovey-Ring ist kein Vibrationsgerät, wie sie in den Studien benutzt werden, und deshalb nur schwer vergleichbar. Die Art der Anwendung ist eine andere, es werden unterschiedliche Körperregionen trainiert. »Und es kommt immer darauf an, in welchen Frequenzen und mit welcher Amplitude ein Gerät vibriert und in welcher Ausgangsstellung der Patient das Gerät benutzt«, sagt der Sportwissenschaftler Schwesig. All das könne beeinflussen, welchen Gesundheitseffekt ein vibrierendes Sportgerät am Ende tatsächlich hat.

Das heißt: Dass die Smovey-Ringe das einhalten, was der Hersteller verspricht, wäre möglich. Mehr aber auch nicht. Für eine klare Empfehlung fehlen aussagekräftige Untersuchungen. Unklar ist außerdem, ob die Geräte einen größeren Nutzen haben als konventionelle Bewegungstherapien oder Sportübungen.

Bis die Wissenschaft mehr Klarheit liefert, bleibt aber festzuhalten: Wer Gefallen an den Übungen mit den vibrierenden Ringen gefunden hat, sollte sie auch benutzen. In den wenigen Studien, in denen die Geräten verwendet wurden, zeigten sich keine Hinweise dafür, dass sich die Geräte – wenn korrekt angewendet – nachteilig auf die Gesundheit auswirken. Solange sie also nicht schaden, können sie gute Hilfsmittel sein, wenn es darum geht, im Alltag regelmäßig aktiv zu sein. Oder jemandem zu helfen, der, etwa von einer Krankheit geschwächt, zu mehr Kraft und Ausdauer gelangen will. Denn das ist das wichtigste: Wer regelmäßig in Bewegung ist, sich dabei anstrengt, ins Schwitzen gerät und bei alldem Spaß hat, tut Körper und Geist definitiv etwas Gutes. Egal, ob ganz ohne Hilfsmittel oder mit Smovey-Geräten, Vibrationsplatten oder für den Geldbeutel etwas günstigeren Wanderstöcken und Hanteln.

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