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Fernbeziehungen: Venezianische Perlen gelangten ostwärts bis Amerika – vor Kolumbus

Über den Landweg war Schmuck aus Venedig offenbar bis nach Alaska verfrachtet worden. Nur das letzte Stück über die Beringstraße legten die Perlenliebhaber per Boot zurück. Irgendwann zwischen 1400 und 1480.
Hundeschlitten der Inuit. Stich aus dem Jahr 1878

Im Jahr 1492 legte Kolumbus mit seinen Schiffen an einer Bahamas-Insel an. Längst ist bekannt, dass er nicht der erste Europäer war, der Fuß auf den amerikanischen Kontinent setzte. Doch nun fanden Archäologen heraus, dass einige Jahrzehnte vor seiner Ankunft bereits europäische Luxuswaren bis in den hohen Norden Amerikas gelangten – und zwar vermutlich ostwärts über Eurasien und die Beringstraße. So entdeckten Forscher an drei Fundstellen in Nordalaska blaue Glasperlen. Wie naturwissenschaftliche Analysen ergaben, waren die Stücke in venezianischen Werkstätten gefertigt und zwischen 1400 und 1480 bis nach Alaska verbracht worden.

Wie Michael L. Kunz vom University of Alaska Museum of the North in Fairbanks und Robin O. Mills vom dortigen Bureau of Land Management im Fachmagazin »American Antiquity« berichten, kamen insgesamt zehn gelochte türkisblaue Perlen bei Grabungen in Alaska ans Licht. Die Stücke sind weniger als einen Zentimeter groß. An einem Fundort, Punyik Point, im Nordwesten der Brookskette gelegen, des zweitgrößten Bergzugs Alaskas nördlich des Polarkreises, fanden sich acht Perlen – einige davon zusammen mit Kupferschmuck, um den Pflanzenfasern gewickelt waren. Eine C-14-Datierung des organischen Restes ergab, dass er aus der Zeit zwischen 1400 und 1480 stammt.

Türkisblaue Glasperlen | Archäologen haben die Stücke im Norden Alaskas geborgen. Die Perlen stammen ursprünglich aus dem Venedig des 15. Jahrhunderts.

In Punyik Point hatten Indigene einst ein Lager mit Grubenhäusern errichtet, die sie zu bestimmten Jahreszeiten aufsuchten. Nach Ansicht der Forscher war es ein Handels- und Jagdstützpunkt. Wie sie überdies vermuten, gab es hierüber auch Verbindungen zur Beringstraße und zum Nordpolarmeer. In Sheshalik, das an der Westküste an der Mündung des Flusses Noatak gelegen war, existierte ein Handelszentrum der indigenen Bevölkerung. Über die Beringstraße standen die Menschen auch mit dem eurasischen Kontinent in Kontakt.

Der weite Weg von Venedig nach Alaska

Woher die Glasperlen stammten, fanden die Forscher mit Hilfe der Neutronenaktivierungsanalyse heraus. So handelt es sich um Produkte aus Venedig. Aus historischen Dokumenten ist bekannt, dass die venezianischen Glaswerkstätten bereits im 13. Jahrhundert den Handel mit Perlen bis nach Asien etabliert hatten. Zwar haben sich auch in der Karibik sowie an der Ostküste Nord- und Mittelamerikas derartige Stücke gefunden, doch datieren jene Funde in die Zeit zwischen 1550 und 1750.

Weil vor Kolumbus – abgesehen vom sehr viel früheren, 1000 Jahre alten Wikinger-Stützpunkt auf Neufundland – keine Handelsbeziehungen über die Atlantikroute nachgewiesen sind, vermuten Kunz und Mills, dass die Perlen zunächst entlang der Seidenstraße bis nach Eurasien gelangten. Von dort seien sie per Boot über die Beringstraße gebracht worden. »Dies ist der früheste Beleg dafür, dass zweifellos europäisches Material über den Landweg in die Neue Welt gelangte«, sagt Kunz laut einer Pressemitteilung der University of Fairbanks. Der früheste historische Kontakt zwischen der indigenen Bevölkerung Alaskas und Europäern ist den Forschern zufolge bisher für das Jahr 1741 bezeugt, als der dänische Marineoffizier Vitus Bering Expeditionen im Dienst Russlands in die Nordpolarregion unternahm.

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