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Sprachentwicklung: Was Vorsingen bei Babys bewirkt

Vorlesen und Singen soll die Sprachentwicklung von Babys fördern. Wie ihr Gehirn auf Lieder wie den »Bi-Ba-Butzemann« oder »Schlaf, Kindlein, schlaf« reagiert und welche Lieder den späteren Sprachschatz positiv beeinflussen, haben Forschende aus Wien untersucht.
Ein Mann hat spielt ein Lied auf der Gitarre einem Baby vor, das ihn vergnügt anschaut.
Vorsingen soll die Bindung zwischen dem Nachwuchs und den Eltern stärken sowie die Sprachentwicklung fördern.

Um die Sprachentwicklung von Babys bereits so früh wie möglich zu fördern, wird Eltern empfohlen, viel mit dem Nachwuchs zu sprechen, ihm vorzulesen oder zu singen. Das Vorsingen soll Kindern zudem helfen, frühzeitig ein Gefühl für Rhythmus zu entwickeln und sich entsprechend zu bewegen. Doch welchen Einfluss hat dabei die Auswahl des Lieds? Dass sich schnellere, eher komplexe Spiellieder anders auf den Sprachschatz von Kindern sowie ihre Fähigkeiten, Musik zu verarbeiten, auswirken als langsame, einfachere Schlaflieder, konnte nun ein Forschungsteam der Universität Wien gemeinsam mit Wissenschaftlern der University of East London zeigen. Die Ergebnisse wurden in »Developmental Cognitive Neuroscience« veröffentlicht.

In der Studie sangen Mütter ihren sieben Monate alten Babys zwei bekannte Kinderlieder vor – das Wiegenlied »Schlaf, Kindlein, schlaf« sowie das Spiellied »Es tanzt ein Bi-Ba-Butzemann«. Während sich Spiellieder durch einen schnelleren Rhythmus, mehr Komplexität und höhere Tonhöhen auszeichnen, besitzen Schlaflieder ein langsames Tempo, weniger musikalische Variation und tiefere Tonhöhen. Mittels Elektroenzephalografie (EEG) haben die Forschenden während des Vorsingens der beiden Lieder die Gehirnaktivität der 30 untersuchten Säuglinge gemessen, um herauszufinden, wie sie die Musikstücke wahrnehmen und neuronal verarbeiten. »Unsere Ergebnisse zeigten, dass es den Babys leichter fiel, das Schlaflied mit ihrer Gehirnaktivität zu tracken«, sagt Trinh Nguyen, Erstautorin der Studie von der Universität Wien, in einer Pressemitteilung. Laut der Forscherin spiegelten die Gehirnwellen den Klang des Gesangs wider. Sie und ihre Kollegen schlussfolgerten, dass das langsamere Tempo und die einfachere Struktur des Schlaflieds den Kindern das Tracking erleichterten. Sie stellten außerdem fest, dass die neuronale Verfolgung von Wiegenliedern schwächer war, wenn die Säuglinge die Mütter nicht anschauten, was darauf hindeutet, dass das neuronale Tracking mit der Aufmerksamkeit der Säuglinge auf das Gesicht der vorsingenden Person zusammenhängt.

Zusätzlich beobachtete das Forschungsteam, ob die Säuglinge mit Wippen oder Strampeln auf die Lieder reagierten. »Mehr rhythmische Bewegungen zeigten die Säuglinge während des Spiellieds«, erklärt Trinh Nguyen. Das schnellere Lied hatte die Kinder laut den Autoren offenbar stärker angeregt, sich zur Musik zu bewegen. Die Säuglinge schauten zudem während des Spiellieds ihre Mütter signifikant länger an als während des Wiegenlieds.

Auch einen möglichen Einfluss auf den Spracherwerb untersuchten Nguyen und Kollegen: Als die Kinder 20 Monate alt waren, wurden die Eltern mittels Fragebogen über den Sprachschatz ihrer Kleinkinder befragt. Dabei zeigte sich, dass sich nur das neuronale Tracking in Kombination mit rhythmischen Bewegungen beim Spiellied positiv auf die Größe des Wortschatzes auswirkte, nicht aber beim Schlaflied. Laut den Autoren scheint also die akustische Variabilität von Spielliedern den Spracherwerb zu fördern. Jedoch wurden keine weiteren potenziellen Einflussfaktoren für die Sprachentwicklung von Kindern im Rahmen dieser Studien abgefragt. Ebenfalls wurde nicht ermittelt, wie oft und welche Lieder den Kindern zu Hause vorgesungen wurden. In weiterführenden Studien will das Forschungsteam untersuchen, welche musikalischen Elemente wie Tonhöhe, Tempo und Klangfarbe für Babys besonders anregend sind und die kognitive und sprachliche Entwicklung von Kindern fördern.

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