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Leistungsbereitschaft: So wirkt sich das Impostor-Syndrom aus

Strengen sich Menschen in einem Test mehr oder weniger an, wenn sie sich im Allgemeinen für wenig kompetent halten? Männer und Frauen verhalten sich in dieser Situation unterschiedlich.
Männer und Frauen auf Porträtfotos, teils freudig, teils verzweifelt

Auch oscarprämierte Prominente sind nicht davor gefeit: »Ich hatte das Gefühl, dass ich nicht klug genug war für diese Institution«, gestand die Schauspielerin Natalie Portman, als sie im Jahr 2015 ein Studium an der Harvard University begann. Sich für einen Hochstapler zu halten, ist das zentrale Merkmal des Impostor-Syndroms: Die Betroffenen zweifeln an ihren Fähigkeiten, glauben beispielsweise, dass sie ihrer beruflichen Rolle nicht gewachsen seien und dass ihre Inkompetenz eines Tages ans Licht käme. Erfolge und Leistungen führen sie nicht auf ihre Fähigkeiten zurück, sondern auf günstige Umstände.

Bislang war unklar, wie sich das Syndrom auf die Leistungsbereitschaft auswirkt: Motiviert die gefühlte Inkompetenz zu mehr Anstrengung, oder bemühen sich die Betroffenen weniger? Ein Team um Rebecca Badawy von der Youngstown State University in Ohio berichtet in »Personality and Individual Differences«: Männer und Frauen mit Impostor-Syndrom verhalten sich unterschiedlich, wenn sie ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen sollen.

Die Wirtschaftsforscher hatten in zwei Experimenten je rund 250 studentischen Versuchspersonen Fragen aus einem bekannten akademischen Aufnahmetest gestellt. Im ersten Experiment erhielten die Teilnehmer nach den ersten fünf Fragen per Zufall eine sehr positive oder sehr negative Rückmeldung. Dann sollten sie weitere fünf Fragen beantworten, wobei die Forschenden verfolgten, wie viel Zeit die Studierenden investierten. Dasselbe Experiment wiederholten sie noch einmal, an Stelle des Feedbacks jedoch mit einem anderen Stressfaktor: Sie ließen je eine Hälfte der Versuchspersonen glauben, ihr Test würde anonym einem Fremden vorgelegt – oder aber einem ihrer Professoren, der sie anhand des Namens identifizieren konnte. Vorab gaben alle Teilnehmenden in einem Fragebogen an, wie sehr sie zu impostortypischen Erlebens- und Verhaltensweisen neigten, zum Beispiel: »Manchmal habe ich Angst, dass andere bemerken werden, wie sehr es mir an Wissen und Fertigkeiten mangelt.«

Die Ergebnisse: Erhielten die Studierenden nach der ersten Testrunde eine positive Rückmeldung, spielte das Impostor-Syndrom bei Männern wie Frauen keine Rolle für Anstrengung und Leistung in der nächsten Runde. Doch anders sah es aus, wenn sie negatives Feedback erhielten oder der Professor angeblich ihren Test vorgelegt bekam: Männer mit Impostor-Syndrom investierten unter beiden Bedingungen rund eine Minute weniger Zeit in den Test als Frauen. Insgesamt zeigten beide Geschlechter umso weniger Einsatzbereitschaft, je weniger kompetent sie sich fühlten.

Im Schnitt fühlten sich Frauen nach eigenen Angaben zwar ängstlicher. Doch: »Nach einer negativen Rückmeldung oder wenn das Professorenurteil drohte, stieg bei Impostor-Männern die Angst stärker, und sie strengten sich weniger an«, erklären die Autoren. »Frauen mit Impostor-Tendenz strengten sich nach negativem Feedback mehr an und schnitten so auch ein wenig besser ab als ihre männlichen Mitstreiter.« Die negativere Reaktion seitens Männern sei womöglich darauf zurückzuführen, dass sich Männer in Sachen Leistung traditionell unter stärkerem Erwartungsdruck fühlen. Vor allem bei Menschen, die sich stark mit der traditionellen maskulinen Geschlechterrolle identifizieren, könnte das Auseinanderklaffen von Anspruch und erlebtem oder befürchtetem Versagen Angst auslösen. Indem sie weniger Zeit und Energie investierten, schafften sie sich eine Erklärung für einen etwaigen Misserfolg. Dieses »Self-Handicapping« ist eine Strategie, mit der viele Menschen auf selbstwertbedrohliche Herausforderungen reagieren, um das Selbstwertgefühl vorsorglich zu schützen.

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