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Gehirn-Computer-Schnittstellen: Rückt das Sprechen per Gedankenkraft näher?

Ein neues Implantat übersetzt Hirnaktivität in gesprochene Worte. Dank eines zweistufigen Verfahrens ist es anderen Ansätzen überlegen – hat aber immer noch viele Schwächen.
Sprache

Ob Schlaganfall, ALS oder ein anderes neurologisches Leiden – manche Erkrankungen rauben Menschen die Fähigkeit zu sprechen. Wissenschaftler suchen schon lange nach Mitteln und Wegen, den Betroffenen ihre Stimme zurückzugeben. Im besten Fall, da sind sich viele einig, liest ein Gerät das, was jemand sagen möchte, direkt aus dem Gehirn aus und wandelt es anschließend in gesprochene Sprache um.

Einen Schritt weiter bei der Entwicklung einer solchen Gehirn-Computer-Schnittstelle ist nun ein Team um Edward Chang von der University of California in San Francisco gekommen. Die Forscher zeichneten zunächst die Hirnaktivität von fünf Epilepsiepatienten mittels so genannter Elektrokortikografie auf, während diese verschiedene Sätze vor sich hin sprachen. Das Messverfahren funktioniert über Elektroden, die im Rahmen einer OP direkt auf der Hirnrinde angebracht werden. Bei Epilepsiepatienten kommt es in der Regel zum Einsatz, wenn Ärzte herausfinden wollen, welche Hirnareale genau für die Anfälle der Betroffenen verantwortlich sind – was sie zu guten Kandidaten für neurowissenschaftliche Studien macht.

In einem zweitstufigen Prozess wandelte ein künstliches neuronales Netz die Hirnsignale der Probanden zunächst in Repräsentationen jener Bewegungen um, die die verschiedenen Bestandteile des Sprechapparats wie Lippen, Zunge, Kiefer und Kehlkopf beim Formulieren von Sätzen üblicherweise vollführen. Ein zweiter Algorithmus übersetzte diese Bewegungen dann schließlich wieder in gesprochene Sätze. Die Qualität der Sprachausgabe war immerhin so gut, dass Versuchspersonen, die die Wissenschaftler im Internet rekrutierten, den Inhalt der Sätze verstehen konnten, wie die Autoren im Fachmagazin »Nature« berichten.

© UCSF Neurosurgery / YouTube
Wie aus Hirnaktivität Sprache wird

Chang und seine Kollegen machten sich die Tatsache zu Nutze, dass die Aktivität in den Hirnregionen, die an der Sprachproduktion beteiligt sind, besser mit den Bewegungen des Sprechapparats zu korrespondieren scheint als mit den Lauten, die dabei produziert werden, wie Chethan Pandarinath und Yahia Ali von der Emory University und vom Georgia Institute of Technology in Atlanta ebenfalls in »Nature« erklären. Das zweistufige Verfahren der Forscher sei deshalb bislang anderen Gehirn-Computer-Schnittstellen überlegen, welche die Hirnaktivität von Personen ohne Umwege in gesprochene Worte übersetzen.

Ob die Technik allerdings tatsächlich auch für Menschen geeignet ist, die auf Grund einer schweren Krankheit ihre Sprache verloren haben, steht noch in den Sternen. Die am Versuch beteiligten Epilepsiepatienten hatten keine Schwierigkeiten, sich zu artikulieren. Zwar konnten Chang und sein Team zeigen, dass ihre Schnittstelle selbst dann noch funktionierte, wenn die Probanden lediglich die Lippen bewegten, ohne tatsächlich zu sprechen – doch litt die Verständlichkeit in diesem Fall bereits erheblich. Welche Ergebnisse sich bei Menschen erzielen lassen, die auf Grund von Lähmungen nicht einmal mehr die Sprechbewegungen ausführen können, bleibt deshalb erst einmal unklar.

Selbst im Idealzustand sind die Laute, die das Implantat von Chang und seinen Kollegen produziert, zudem noch weit von echter Sprache entfernt. Ob besser platzierte Elektroden oder größere Datenmengen das Problem lösen können, werden weitere Studien erst noch zeigen müssen, urteilen Pandarinath und Ali.

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