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Kosmologie: Quantenschaum könnte Raumzeit stabilisieren

Kosmologie und Teilchenphysik passen an einer entscheidenden Stelle nicht zusammen. Nun soll eine Idee aus 1950er Jahren das Problem lösen.
Sieht so die Raumzeit aus?

Eine lang vergessene Idee könnte dabei helfen, Teilchenphysik und Kosmologie miteinander in Einklang zu bringen. Ihr zufolge ähnelt die Raumzeit bei genauester Betrachtung einem blubbernden Schaum aus unvorstellbar kleinen Seifenblasen, die mal rasant expandieren und mal rapide schrumpfen. Das zumindest vermutet der Theoretiker Steven Carlip von der University of California in Davis in einem aktuellen Paper, das im renommierten Fachmagazin »Physical Review Letters« erschienen ist.

Carlip will damit einen eklatanten Widerspruch zwischen Teilchenphysik und Kosmologie aus der Welt schaffen. Die beiden Disziplinen sind an und für sich sehr erfolgreich darin, die Wirklichkeit zu modellieren. Die Teilchenphysik wird diesem Anspruch im Bereich des Allerkleinsten gerecht, die Kosmologie nimmt sich die größten Strukturen im Universum vor. Doch dort, wo die beiden Weltmodelle miteinander in Kontakt geraten, knirscht es: Ihre Prognosen für den luftleeren Raum wollen partout nicht zusammenpassen.

Der Teilchenphysik zufolge ist dieses Vakuum gefüllt mit Energiefeldern wie dem berühmten Higgs-Feld, das Teilchen eine Masse gibt. Auch müssten dort zu jeder Zeit Paare aus »virtuellen« Teilchen aufploppen, die sich nach Sekundenbruchteilen wieder gegenseitig auslöschen. Das alles sollte das Vakuum mit einer enormen Energie füllen, die sich kosmologisch bemerkbar machen müsste.

Die Beobachtungen von Astrophysikern passen aber überhaupt nicht zu dieser Prognose: Zwar sehen Fachleute im Weltall eine Kraft am Werk, die scheinbar im Vakuum verankert ist und den Kosmos immer schneller expandieren lässt. Diese »Dunkle Energie« ist allerdings sehr viel schwächer als das, was Wissenschaftler auf Basis der Teilchenphysik erwarten würden. Zwischen Mikrokosmos-Prognose und Kosmologie-Realität klaffen sage und schreibe 120 Größenordnungen. Es handle sich daher um die »mieseste theoretische Vorhersage in der Geschichte der Physik«, witzeln Experten in einem Lehrbuch der Kosmologie.

Bisher versuchen Forscher, die Diskrepanz mit Tricks aus der Teilchenphysik zu erklären. Möglicherweise gleichen unbekannte Elementarteilchen und Felder die bekannten Beiträge zielgenau aus, wodurch nur ein winziger Überschuss übrig bliebe. Die Sache hätte demnach etwas von einem riesigen Zufall, Physiker reden daher von »Finetuning«.

Carlip hat nun eine Alternative zu dieser Sichtweise ausgearbeitet. Ihm zufolge sind es keine zusätzlichen Teilchen und Felder, die das Rätsel lösen, sondern die Struktur der Raumzeit auf kleinsten Skalen. Sofern diese bei Abständen von 10-35 Metern, der so genannten Planck-Skala, einem Meer aus Seifenblasen ähnele, könne man das Problem aus der Welt schaffen, argumentiert der US-Amerikaner.

Denn dann könnte sich die zusätzliche Energie im Vakuum tatsächlich manifestieren, sie wäre aber aus unserer makroskopischen Perspektive schlicht nicht sichtbar: Zwar gäbe es rasant expandierende Blasen mit enormer Energie, die zwischen vielen in sich zusammenfallenden Bereichen jedoch nicht weiter auffallen.

Einen ähnlichen Gedanken hatte bereits die Physikerlegende John Wheeler in den 1950er Jahren entwickelt. Nun gebe es jedoch bessere theoretische Werkzeuge, um das Konzept eingehender zu erforschen, meint Carlip. Ob die Idee wirklich den Durchbruch bringen wird, muss sich allerdings noch zeigen: Experten haben bereits eine Reihe von Hürden aufgezeigt, die Carlips Ansatz noch nehmen muss.

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