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Mars-Rover Perseverance: »Die NASA ist zu zaghaft«

Der NASA-Rover Perseverance ist auf dem Mars gelandet. Dort soll er bald nur indirekt Leben suchen. Eine verpasste Chance, sagt Astrobiologe Schulze-Makuch.
Mars (künstlerische Darstellung)

Wie geplant hat der NASA-Rover Perseverance am 18. Februar 2021 auf dem Mars aufgesetzt. Eines seiner Ziele dort: nach Spuren von Leben suchen. Der Haken: Proben, die der Rover einsammelt, sollen erst Jahre später auf der Erde untersucht werden. Der Astrobiologe Dirk Schulze-Makuch teilt zwar den Optimismus vieler NASA-Wissenschaftler, dass es Leben auf dem Mars geben könnte. Doch die Fähigkeiten des Rovers sind ihm zu eingeschränkt.

»Spektrum.de«: Herr Schulze-Makuch, der neue Rover der NASA soll Spuren von Leben finden. Woher wissen Ihre US-Kollegen, wonach sie suchen sollen?

Schulze-Makuch: Die Annahme ist, dass Leben auf dem Mars kohlenstoffbasiert wäre und damit dem auf der Erde ähnelt, zumindest was die biochemischen Bausteine betrifft. Das müssen nicht unbedingt Nukleotide sein wie die in der DNA. Aber ich denke schon, dass auch außerirdisches Leben auf dem Mars auf Aminosäuren aufgebaut sein müsste.

© NASA
Live-Stream der Landung auf NASA-TV

Wie kommen Sie darauf?

Wir suchen erst mal nach dem, was wir kennen. Besonders der frühe Mars war sehr erdähnlich. Daher gehen wir von einer sehr ähnlichen Biochemie des Lebens aus. Wir haben uns beispielsweise in der Atacama-Wüste in Chile angeschaut, wie sich Mikroorganismen an die Lebensbedingungen dort angepasst haben. Auf dem Mars ist es noch viel trockener, doch das war nicht immer so. Vor rund vier Milliarden Jahren gab es dort vermutlich Ozeane, die wahrscheinlich über einen sehr langen Zeitraum verdampft sind. Das hätte Mikroorganismen viel Zeit gegeben, sich zu adaptieren.

Dirk Schulze-Makuch | Nach einem Geologiestudium in Gießen und einem PhD an der US-Universität von Wisconsin-Madison lehrt der 1964 geborene Forscher heute am Zentrum für Astronomie und Astrophysik der Technischen Universität Berlin. In seinem jüngsten Buch »Das lebendige Universum: Komplexes Leben auf vielen Planeten?« wirft der Geologe zusammen mit seinem Koautor, dem MIT-Forscher William Bains, einen Blick auf die Möglichkeit von höherem Leben außerhalb der Erde.

Die NASA sucht mit ihrem Rover Perseverance aber gar nicht nach heutigem Leben, sondern nach vergangenem.

Ja, zumindest kommuniziert die NASA das so. Allerdings nur, weil sie vorsichtig ist. Sie behauptet erst einmal, sie suche nach fossilem Leben, weil es zu spekulativ ist, nach aktivem Leben zu suchen.

Sie scheinen damit nicht ganz glücklich zu sein.

Sagen wir mal so: Ich würde anders vorgehen.

Wie denn?

Ende der 1970er Jahre gab es die Life-detection-Experimente der beiden Viking-Lander. Da war die NASA sehr forsch. Die Ergebnisse waren leider nur schwer interpretierbar. Letztlich war der Anspruch zu hoch, denn man hatte damals die Umweltbedingungen auf dem Mars noch gar nicht verstanden. Jetzt ist die NASA im Grunde zu zaghaft. Inzwischen verstehen wir den Mars gut. Trotzdem hat der Perseverance-Rover eigentlich keine Instrumente für die Entdeckung aktiven Lebens dabei.

Noch nie kamen so viele Raumsonden gleichzeitig beim Roten Planeten an: Mitte Februar erreichten sowohl der Al-Amal-Orbiter der Vereinigten Arabischen Emirate den Mars als auch die Raumsonden der USA und der Volksrepublik China. Letztere tragen jeweils einen Rover an Bord. Der US-Roboter Perseverance landete am 18. Februar auf der Oberfläche und soll dort Proben nehmen sowie einen kleinen Helikopter starten lassen. Das chinesische Gefährt folgt vermutlich im Frühling 2021. Wissenschaftler erhoffen sich von den Missionen neue Einblicke in die Vergangenheit des Mars, in der es wahrscheinlich flüssiges Wasser auf dem heute staubtrockenen Planeten gab.

Was kann der neue Rover denn stattdessen?

Er ist im Grunde ein Mineraloge. Das Raman-Spektrometer an Bord geht noch am ehesten Richtung Lebensentdeckung, damit kann man immerhin bestimmte chemische Elemente nachweisen. Aber auch das ist schwierig, weil es nichts gibt, womit man es kalibrieren könnte. Wenn wir beispielsweise unbekannte Moleküle finden, wird es schwierig, sie zu identifizieren.

Aber dafür wird Perseverance doch einige viel versprechende Gesteinsproben einkapseln, die dann eine spätere Mission zur Erde transportieren soll.

Ich fände es besser, mehr Lebenserkennung vor Ort zu betreiben. Die ExoMars-Mission der ESA, die 2022 starten soll, hat beispielsweise den Mars Organic Molecule Analyzer dabei, der in diese Richtung geht. Er kann organische Moleküle bis zu einer winzigen Konzentration von zehn parts per billion (Teilchen pro Milliarde) nachweisen und große Moleküle von 50 bis 1000 atomaren Masseneinheiten. Das ist etwas Besonderes. Damit könnte man also Aminosäuren aufspüren oder kleinere Lipide und Kohlenhydrate. Das ist klar die nächste Stufe der Lebenssuche. Vorherige Missionen schauten eher nach kleinen Molekülen.

»Die Leute interessiert, ob es Leben auf dem Mars gibt – nicht eine weitere Analyse der chemischen Elemente«

Dabei ist auch der ExoMars-Rover noch nicht wirklich eine Lebensfinder-Mission. Doch er ist ein ganzes Stück näher dran. Wenn die Leute etwas interessiert, dann die Frage, ob es auf dem Mars Leben gibt – und nicht eine weitere Analyse der vorhandenen chemischen Elemente.

Müssten große Moleküle angesichts der Strahlung auf dem Mars nicht ohnehin schon längst zerfallen sein?

Das kommt drauf an, wo man sucht. In bestimmten Sedimenten könnten sie gut konserviert werden. Sie wandeln sich dann zwar teilweise in andere Moleküle um. Aber selbst an der Oberfläche scheint es noch relativ komplexe chemische Verbindungen zu geben, wie Funde des aktuellen NASA-Rovers Curiosity gezeigt haben.

Allerdings sind die detektierten Moleküle ein ganzes Stück kleiner, weil der Rover nicht so große Mol-Zahlen analysieren kann. Er hat organische Moleküle entdeckt und teilweise auch schwefelorganische Substanzen, so genannte Thiophene. In einer Studie dazu haben wir festgestellt, dass diese im Prinzip biologischen Ursprungs sein könnten.

NASA-TV überträgt die Landung von »Perseverance« am Donnerstagabend ab 20:15 Uhr mitteleuropäischer Zeit. Sie können dem Stream unter diesem Link folgen. Die eigentliche Landung soll gegen 21:55 Uhr stattfinden.

Verstehe ich Sie richtig? Bakterien nutzen verwandte Stoffe der Schwefelsäure als Nahrungsquelle?

Für den Mars ist das bisher rein spekulativ! Die meisten Sulfat reduzierenden Bakterien auf der Erde benötigen organische Stoffe zur Energieproduktion und zum Aufbau körpereigener Stoffe. Es gibt aber auch Sulfat-Reduzierer, die von anorganischen Stoffen leben. Diese benötigen neben Sulfat nur Wasserstoff und CO2 zum Wachstum. Mit wenigen Ausnahmen brauchen die meisten dieser Organismen jedoch noch Spuren von anderen Elementen und Mineralien – von denen nicht klar ist, ob es sie auf dem Mars in ausreichender Menge gibt.

»In der Antarktis gibt es primitive Würmer. Ich würde es nicht völlig ausschließen, dass es solche Organismen auch auf dem Mars gibt«

Was es im Marsboden gibt, sind stark giftige Perchlorat-Salze. Machen sie den Traum vom Leben nicht gründlich zunichte?

Auf der Erde gibt es Bakterien, die sogar Perchlorate benutzen. Andere vertragen eine gewisse Konzentration, wie wir aus Laborexperimenten wissen. Es kommt darauf an, um welche Organismen es sich handelt. Auch die Art der Perchlorate muss man sich anschauen. Organismen können Natrium-Perchlorat in relativ hohen Konzentrationen vertragen, Kalzium- und Magnesium-Perchlorat hingegen nicht. Alle diese Salze kommen auf dem Mars vor.

Wenn heute noch Leben auf dem Mars existiert, sollte es nicht dort zu finden sein, wo es Wasser gibt? In den letzten Jahren haben Raumsonden mittels Radar Hinweise auf flüssige Reservoirs in der Nähe des Südpols entdeckt.

Ja, unter den Mars-Gletschern gibt es flüssiges Wasser. Um es in dieser Tiefe flüssig zu halten, muss es entweder erhitzt werden oder sehr viel Salz enthalten. In letzterem Fall wäre die Salzkonzentration allerdings zu hoch, um Leben zu ermöglichen. Aber es könnte auch nasse Stellen mit weniger Salz geben. Wir wissen es bisher schlicht nicht.

Marsrover Perseverance

Ist der Mars überhaupt der geeignetste Ort im Sonnensystem, um nach Leben zu suchen? Bei einigen Eismonden von Jupiter und Saturn weiß man recht sicher, dass sie unter ihrer Kruste ausgedehnte Ozeane verstecken, die wahrscheinlich von Gezeitenreibung flüssig gehalten werden.

Auf dem Mars ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Leben mit dem auf der Erde verwandt wäre. Vor vier Milliarden Jahren hatten Erde, Venus und Mars vermutlich Ozeane auf der Oberfläche. Ich halte es für plausibel, dass das Leben per Asteroiden von einem Planeten zum anderen transportiert wurde und daher auf allen drei Planeten existierte. Dass so etwas zwischen dem inneren und dem äußeren Sonnensystem passiert, ist wegen der großen Anziehung der Sonne dagegen sehr unwahrscheinlich. Andererseits macht das die Suche auf den Monden von Jupiter und Saturn auch sehr spannend. Fänden wir dort Leben, hätte es wohl einen separaten Ursprung. Auf dem Saturnmond Titan zum Beispiel sind die Umweltbedingungen ganz anders als auf der Erde.

Wieso haben die Weltraumorganisationen eigentlich aufgegeben, nach höherem Leben auf dem Mars zu suchen, also nach Fossilien von Mehrzellern zum Beispiel?

Das Problem ist, dass manche Menschen behaupten, sie hätten Echsen auf dem Mars entdeckt, nur weil eine Gesteinsformation so ähnlich aussieht. Deswegen sind seriöse Wissenschaftler hier sehr vorsichtig. Was man meiner Meinung nach absolut vertreten kann, ist mikrobakterielles Leben auf dem Mars. Ich selbst würde sogar noch ein bisschen weiter gehen. In der Antarktis, ebenfalls eine sehr kalte Wüste, gibt es Nematoden, also primitive Würmer. Ich würde es nicht völlig ausschließen, dass es solche Organismen auch auf dem Mars gibt. Eine weitere Option wären Flechten – eine Symbiose aus Pilzen und Bakterien oder Algen.

Man müsste also nur tief genug bohren?

Ja und nein. In der Tiefe würde es wohl nur noch Mikroben geben. Nahe der Oberfläche müssten sie sich an die extrem trockenen Bedingungen und an vielen Stelle auch an die Perchlorat-Salze angepasst haben. Das kann man sich wie gesagt vorstellen. Schwieriger ist die Weltraumstrahlung, die wegen der dünnen Atmosphäre und dem fehlenden Magnetfeld auf die Oberfläche einprasselt. Ich sehe hier nur die Möglichkeit, dass sich die Mikroben im Inneren von Salzgesteinen verstecken, wo sie vor UV-Strahlung geschützt wären. So ähnlich beobachtet man es auch in der Atacama-Wüste bei so genannten Endolithen, die Feuchtigkeit aus der Atmosphäre ziehen und damit die Mikroorganismen im Inneren versorgen. Auf dem Mars wäre das alles etwas schwieriger. Aber vielleicht haben sich Mikroben dort im Lauf der Zeit besser an die Bedingungen angepasst.

Und die Nematoden?

Wenn es Nematoden gibt, und das ist eher unwahrscheinlich, dann wären diese wohl nahe der Oberfläche zu finden, aber nicht an der Oberfläche. Vielleicht in 10 bis 50 Zentimeter Tiefe, da, wo auch mikrobielle Einzeller angereichert wären, falls es welche gibt.

Die Suche nach Leben auf dem Mars ist eine offene Frage, im Prinzip kann man ewig weitersuchen. Lässt sich überhaupt irgendwie ausschließen, dass es Organismen auf dem Mars gab oder gibt?

Das ist sehr schwierig. Um das festzustellen, müsste man sehr viele Missionen zu unterschiedlichen Orten schicken, von denen wir annehmen, es könne dort Leben geben. Viele dieser Ziele lägen unterirdisch, in Lavahöhlen beispielsweise, und dort, wo es unter dem Permafrost auf dem Mars Grundwasser gibt. Es ist schwierig, dort hinzugelangen. In näherer Zukunft werden also immer Orte übrig bleiben, an denen wir noch nicht nachgeschaut haben.

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