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Antike Schriftstücke: Mysteriöser Basel-Papyrus entziffert

Eine legendär harte Nuss haben Forscher der Universität Basel interdisziplinär geknackt: Sie entzifferten den Inhalt eines berühmten antiken Schriftstücks. Der Papyrus enthält demnach krude Ratschläge des berühmten antiken Mediziners Galen zur Frauengesundheit.
Baseler Papyrus

Ein seit gut vier Jahrhunderten berühmtes, bisher aber unleserliches Stück Papyrus haben Forscher der Universität Basel erfolgreich entziffert. Dabei stießen sie auf einen medizinischen Text des griechischen Arztes Galen, dessen antike medizinische Expertise bis ins Mittelalter hinein die europäische Heilkunst beeinflusst hat. Das rund 2000 Jahre alte Schriftstück – schon im 16. Jahrhundert Teil einer berühmten Sammlung von naturwissenschaftlichen Kuriositäten – ist inhaltlich aus heutiger medizinischer Sicht unterhaltsam, aber kein Ruhmesblatt zeitlosen Fachwissens.

Der Papyrus soll einst Teil einer Sammlung des Juristen Basilius Amerbach gewesen sein, der im 16. Jahrhundert antike Münzen, Holzschnitte, illustrierte Folianten und einen als Einhorn-Elfenbein deklarierten Walross-Zahn zusammengetragen hatte. Im Jahr 1661 ging das Kuriositätenkabinett dann in den Besitz der Universität Basel über und landete schließlich im Kunstmuseum der Stadt. Der Papyrus verstaubte allerdings, weil merkwürdig spiegelschriftlich und beidseitig unleserlich beschriftet, allmählich ungelesen in den Regalen und entzog sich gelegentlichen Versuchen, ihn zu entziffern.

Baseler Papyrus | Der Papyrus im unrestaurierten Zustand war unleserlich. Nach der Restaurierung entpuppte er sich als (von der Entwicklung überholte) Fachabhandlung Galens zur »weiblichen Hysterie«.

Nun fanden die Experten in Basel den Trick zur Lösung des Problems, nachdem sie ihm zunächst mit UV- und Infrarotlicht auf den Leib gerückt sind: Offenbar waren mehrere Seiten zusammengeklebt worden, vielleicht, um daraus einen Buchdeckel herzustellen. Mit handwerklichem Geschick lösten Präparatoren nun die seit Jahrhunderten verklebten Seiten voneinander und enthüllten einen längeren zusammenhängenden griechischen Text: »eine Sensation«, wie die Professorin für Alte Geschichte Sabine Huebner erklärt. Denn: Mehrheitlich finden sich auf Papyri kürzere Texte wie Briefe, Verträge oder Rezepte.

Inhaltlich entpuppte der Text sich als medizinische Abhandlung, deren Stil darauf hinweist, dass sie vom griechisch-römischen Arzt Galen oder einem seiner Adepten verfasst wurde. Galen lebte von 130 bis 210 nach der Zeitenwende und wirkte mit seinem Werk bis ins Mittelalter hinein als medizinische Autorität nach. Erst in der frühen Neuzeit wurden viele seiner Ideen nach und nach vom Fortschritt überholt. Auch das nun entzifferte Werk hält inhaltlich nicht stand: Der Test befasst sich mit Spekulationen über die Ursache der angeblichen »weiblichen Hysterie«, die spätestens seit den 1980er Jahren ganz als verirrte Fehldiagnose entlarvt ist. Auch Galen hatte sich aber schon gegen eine zeitgenössische medizinische Lehrmeinung gewandt, die als Ursache der Hysterie eine »wandernde Gebärmutter« verdächtigt hatte. Die im Papyrus aufgeführte Gegenhypothese erscheint aus heutiger Sicht allerdings nicht weniger bizarr: Galen verdächtigte das Ausbleiben sexueller Betätigung der Frau als Ursache für hysterische Apnoe und Erstickungsanfälle.

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