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»Gletschermäuse«: Mooskugeln auf Gletschern wandern synchron

Auf manchen Gletschern liegen tausende Bälle aus Moos herum. Nun zeigt sich: Sie ändern gemeinsam Richtung und Geschwindigkeit. Bisher gibt es dafür keine Erklärung.
Moosbälle auf einer Eisoberfläche, Kameradeckel als Größenvergleich.

Die Oberflächen von Gletschern gelten gemeinhin als lebensfeindliche Eiswüsten, auf denen nichts auf Dauer gedeiht. Es gibt allerdings eine rätselhafte Ausnahme. Auf manchen Eisflächen gibt es tausende Exemplare einer der kuriosesten Lebensgemeinschaften des Planeten: grüne, bis zu volleyballgroße Kugeln aus Moos. Diese Gletschermäuse, wie man sie in Island nennt, liegen jedoch nicht nur herum. Sie scheinen synchron zu wandern, wie eine Arbeitsgruppe um Timothy Bartholomaus von der University of Idaho in »Polar Biology« berichtet. Dass die Mooskugeln, anders als die Tumbleweeds des Wilden Westens, keine toten, abgefallenen Pflanzenreste sind, war schon länger bekannt. Sie sind rundherum grün und anscheinend quicklebendig. Die Arbeitsgruppe zeigte nun, dass alle Gletschermäuse auf dem von ihr betrachteten Gletscher mit einer Geschwindigkeit von etwa 2,5 Zentimetern pro Tag in die gleiche Richtung rollen – und sogar synchrone Richtungswechsel vollführen.

Bartholomaus untersuchte eine Herde von Gletschermäusen auf der Oberfläche des Root Glacier in Alaska im Zeitraum von 2009 bis 2012. Dazu markierten er und seine Arbeitsgruppe 30 der Mooskugeln mit Bändern aus bunten Perlen, an denen sich die Bewegungen im Lauf der Zeit ablesen ließen. Dabei stellte sich heraus, dass die Kugeln sich gemeinsam bewegten. Dabei änderten sie nicht nur ihre Geschwindigkeit, sondern sogar ihre Richtung. Warum, ist bisher völlig rätselhaft. Weder die Neigung der Oberfläche noch Wind oder Sonne scheinen das Verhalten zu erklären, berichtet das Team; es gebe lediglich einen Zusammenhang mit dem Abtrag des Gletschers.

Moos: Das Mysterium der wandernden Mooskugeln

Veröffentlicht am: 04.07.2020

Laufzeit: 0:02:22

Sprache: deutsch

Zusätzlich brachte die Untersuchung weitere Erkenntnisse über den Lebenszyklus der Mooskugeln. Die Gebilde sind demnach über mehrere Jahre hinweg stabil; zu entstehen scheinen sie in einer bestimmten Region des Eises auf der windabgewandten Seite einer Felsspitze, die durch das Eis ragt. Womöglich sammeln sich in dieser »Kinderstube« der Gletschermäuse Staub und Moosspuren, aus denen sich die ersten Keimlinge der Bälle bilden. Moose brauchen zum Wachsen keinen nährstoffreichen Boden, sondern nehmen Wasser und Nährstoffe direkt über ihre Blätter auf. Vermutlich ermöglicht ihnen das, die merkwürdigen wandernden Bälle zu bilden. Die so entstehenden »Herden« sind ihrerseits Heimat einer ganzen Reihe wirbelloser Tiere, von Insekten bis hin zu Bärtierchen. Allerdings gibt es auf den meisten Gletschern keine Gletschermäuse; weshalb, ist ebenfalls noch rätselhaft.

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