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Neurochemie: Molekulare Gedächtnisstütze

Göttinger Forscher beugen dem altersbedingten Abbau der Lernfähigkeit bei Mäusen vor.
Heikle Balance
Geistige Fitness bis ins hohe Alter – wer träumt davon nicht? Ein Forscherteam um André Fischer am European Neuroscience Institute in Göttingen konnte nun den Gedächtnisabbau bei Mäusen stoppen, indem sie einer typischen altersbedingten Veränderung an den Chromosomen von Nervenzellen vorbeugten. So blieb die Lernfähigkeit der Mäusesenioren großteils erhalten.

Wie beim Menschen schneiden auch Mäuse im höheren Alter in Lerntests deutlich schlechter ab als jüngere Artgenossen. Im Hippocampus, einer fürs Lernen besonders wichtigen Hirnregion, entdeckten Fischer und sein Team einen möglichen Grund: Azetylgruppen, die sich normalerweise an so genannte Histone – spezielle Moleküle zur Verpackung des DNA-Stranges – anlagern, waren bei älteren Mäusen weit gehend verschwunden. Dies führte offenbar dazu, dass bestimmte Abschnitte des Erbguts nicht mehr "entpackt" wurden und somit abgeschaltet blieben. Die Folge: Dem Gehirn fehlte die molekulare Maschinerie, um neu gelernte Information zu speichern.

Diesen Prozess konnten die Forscher durch einen chemischen Kniff umkehren: Sie injizierten HDAC-Hemmer (Histon-Deacetylase-Hemmer) in die betroffene Hirnregion und blockierten den Abbau der Azetylgruppen an den Histonen. Die beim Lernen benötigten Gene konnten nach dieser Behandlung wieder abgelesen werden – die Merkfähigkeit der Mäuse blieb erhalten.

Dieser neue Ansatz könnte auch beim Menschen einen Grundstein zur Therapie von Gedächtnisschwächen im Alter legen. HDAC-Hemmer wurden bereits zur Behandlung verschiedener Krebsformen getestet, und erste klinische Studien sind auf dem Weg. Ob diese Substanzen nicht nur normale Abbauprozesse, sondern womöglich auch Alterdemenz und Alzheimer aufhalten kann, bleibt zu erforschen. (jn)

Peleg, S. et al.: Altered Histone Acetylation Is Associated with Age-Dependent Memory Impairment in Mice. In: Science 328(5979), S. 753-756, 2010.

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