Direkt zum Inhalt

Umwelt: Mahnbriefe aus Brüssel wegen mangelnder Umweltvorsorge

Die Europäische Kommission hat die Bundesrepublik Deutschland und weitere acht Mitgliedsstaaten wegen nicht vorgelegter Pläne zur Reduktion von Luftschadstoffen gemahnt. Außerdem hat sie auf Grund nicht umgesetzter Vorschriften der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie gegen Deutschland und zwölf weitere Mitgliedsstaaten rechtliche Schritte eingeleitet. Die Frist für die jeweiligen Umsetzungen war im Dezember 2003 abgelaufen.

Die betroffenen Staaten hätten bis Ende letzten Jahres Pläne vorlegen müssen, wie sie die Luftverschmutzung durch Stickstoffdioxid, Stickstoffoxide, Partikel mit einem Durchmesser von höchstens zehn Mikrometern (PM10), Schwefeldioxid und Blei reduzieren und die 1999 festgelegten Grenzwerte einhalten wollen. Im Jahresbericht 2001 wurden in Deutschland in 16 Gebieten, darunter die Ballungsräume Berlin, Stuttgart, Mannheim/Heidelberg und München, die Höchstmengen für NO2 überschritten. Außerdem wurden in Brandenburg, um Augsburg, im Harz und in Thüringen die zulässigen PM10-Konzentrationen überschritten.

NO2 bildet sich aus Stickstoffmonoxid bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe, weshalb die Werte in Städten und Ballungsräumen allein durch den Schadstoffeintrag aus dem Verkehr und der Industrie entsprechend hoch liegen. Langfristige Belastung kann die Lungenfunktion beeinträchtigen und zu Atemwegserkrankungen führen. Die Feinpartikel enstehen beispielsweise als Dieselruß, aber auch aus anderen Verbrennungsprozessen, und führen ebenfalls zu schweren Erkrankungen der Atemwege. Eine kürzlich veröffentlichte Studie der Weltgesundheitsorganisation WHO zeigte, dass bis zu 13 000 Todesfälle jährlich bei Kindern bis vier Jahren in den 52 europäischen Mitgliedsstaaten der WHO auf die Partikelbelastung in der Außenluft zurückgehen. Wären die von der EU festgesetzten Grenzwerte in diesen Ländern eingehalten worden, hätten wohl über 5000 dieser Todesfälle vermieden werden können, folgern die Wissenschaftler.

Auch im Zusammenhang mit der Wasserrahmenrichtlinie erhielt Deutschland eine erste schriftliche Mahnung, weil es die Umsetzung der EU-Vorgaben in nationales Recht immer noch nicht abgeschlossen hat. Die im Oktober 2000 verabschiedete Richtlinie soll dazu dienen, in allen Gewässern bis zum Jahr 2015 eine gute Qualität zu erreichen. Mittel dazu soll eine integrierte Bewirtschaftung von Wassereinzugsgebieten sein, die innerhalb gewisser Fristen einzuführen ist. Die Bundesrepublik hat hier das Verfahren zur Verabschiedung der notwendigen einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und deren Mitteilung an die Kommission noch nicht abgeschlossen. Weitere EU-Mitglieder wie Frankreich, Italien, Spanien und Großbritannien werden verwarnt, weil sie bisher nicht flächendeckend die Abwässer von Städten über 15 000 Einwohnern den Vorgaben entsprechend klären.

Ein weiteres Mahnschreiben erging an Deutschland und acht weitere EU-Mitglieder, weil die Betroffenen keine Berichte zum Gebrauch von Methylbromid vorgelegt haben. Nach EU-Recht soll das Pestizid schrittweise aus dem Verkehr gezogen werden, weil es die Ozonschicht schädigt. Für Sonderanwendungen ist es allerdings noch erlaubt, doch müssen die Staaten über den Gebrauch jährlich Rechenschaft ablegen. Dies haben die nun gemahnten EU-Mitglieder bisher nicht getan.

Gemäß Artikel 226 EG-Vertrag ist die Kommission befugt, rechtliche Schritte gegen einen Mitgliedstaat zu unternehmen, der seinen Verpflichtungen nicht nachkommt: Wenn nach Auffassung der Kommission möglicherweise ein Verstoß gegen das EU-Recht vorliegt, der die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens rechtfertigt, richtet sie an den betreffenden Mitgliedstaat ein "Aufforderungsschreiben" (erste schriftliche Mahnung), in dem dieser ersucht wird, sich bis zu einem bestimmten Termin, in der Regel innerhalb von zwei Monaten, zu äußern.

Je nachdem, wie sich der betreffende Mitgliedstaat in seiner Antwort äußert und ob er überhaupt antwortet, kann die Kommission beschließen, ihm eine "mit Gründen versehene Stellungnahme" (letzte schriftliche Mahnung) zu übermitteln, in dem sie klar und eindeutig darlegt, weshalb ihrer Ansicht nach ein Verstoß gegen das EU-Recht vorliegt, und den Mitgliedstaat auffordert, seinen Verpflichtungen innerhalb eines bestimmten Zeitraums (in der Regel zwei Monate) nachzukommen.

Kommt der Mitgliedstaat dieser mit Gründen versehenen Stellungnahme nicht nach, kann die Kommission beschließen, den Europäischen Gerichtshof anzurufen. Gelangt der Gerichtshof zu der Auffassung, dass eine Vertragsverletzung vorliegt, wird der säumige Mitgliedstaat aufgefordert, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um seinen Verpflichtungen nachzukommen. Gemäß Artikel 228 EG-Vertrag ist die Kommission befugt, gegen einen Mitgliedstaat vorzugehen, der einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs nicht nachkommt. Aufgrund dieses Artikels kann die Kommission den Gerichtshof auch ersuchen, gegen den betreffenden Mitgliedstaat eine Geldstrafe zu verhängen.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.