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Mikroben-WG: Keimgefahr aus der Spülmaschine

Die größten Überlebenskünstler unter den Kleinstlebewesen würde man in Wüste oder Tiefsee vermuten. Tatsächlich leben sie mitten unter uns: im Geschirrspüler.
Geschirrspüler

Als Laie geht man davon aus, dass in einer Spülmaschine nur Geschirr und Besteck überleben, Bakterien und Pilze hingegen über den Jordan gehen. Dem ist allerdings nicht so, wie Mikrobiologen seit einigen Jahren wissen. In einem Durchschnittshaushalt bildet die Küche eine Art multikulturelles Ballungsgebiet für Mikroorganismen. Und die Überlebenskünstler unter den Kleinstlebewesen hausen ausgerechnet in der Spülmaschine, wie eine Studie in der Fachzeitschrift »Applied and Environmental Microbiology« nahelegt.

Das Team um Prem Krishnan Raghupathi von der Universität Kopenhagen wollte wissen, welche Lebewesen den unwirtlichsten Bedingungen im Haushalt widerstehen können. Dazu entnahmen die Mikrobiologen Proben aus 24 Spülmaschinen – bislang wusste man den Forschern zufolge nur, welche Pilze in Spülmaschinen leben, nicht aber, welche Bakterien. Sie entdeckten vor allem für ihre Robustheit bekannte Bakterien der Gattungen Pseudomonas, Escherichia und Acinetobacter. Diese sind überwiegend harmlos, doch manche können Menschen mit schwachem Immunsystem gefährlich werden.

Bei den neueren Spülmaschinen bildete zuerst der Hefepilz Candida erste Kolonien; später gesellten sich vor allem die Hefegattungen Cryptococcus und Rhodotorula dazu, die bei Immunschwäche eine Pilzinfektion im Blut auslösen können. In jeder dritten Maschine spürten die Forscher außerdem die pathogenen Pilze Exophiala und Aureobasidium auf.

Schwarzer Hefepilz in jedem dritten Gerät

2011 hatte ein Team aus Slowenien, China und den Niederlanden den schwarzen Hefepilz Exophiala dermatidis ebenfalls in rund jeder dritten der weltweit untersuchten 189 Spülmaschinen gefunden. Der Pilz besiedelt den Menschen selten, kann dann allerdings neben Hauterkrankungen auch tödliche Infektionen verursachen. Immerhin: Im Gegensatz zu anderen Keimen würde er sich auf Porzellan nicht festsetzen, beruhigen die Wissenschaftler. Er könne aber mit der Atemluft in den Körper eindringen, wenn man die Maschine nach dem Spülgang zu früh öffne und den heißen Dampf einatme.

Raghupathi und seine Kollegen beobachteten, dass auf Gummidichtungen insbesondere gemischte Biofilme aus Pilzen und Bakterien Schutz gegen harsche Umwelteinflüsse böten – wie auch in den meisten natürlichen Umgebungen Mikroorganismen nicht isoliert lebten, sondern komplexe Gemeinschaften bildeten. In den Biofilmen dominierten Bakterien der Gattungen Gordonia, Micrococcus und Exiguobacterium. Letztere zählen zu jenen Bazillen, die sowohl in heißen Quellen wie im sibirischen Permafrost überleben können. Häufig zeigten sich auch die Stämme TM7 und Meiothermus, die dank spezifischer Organellen leicht an Oberflächen kleben und kurzzeitig bis zu 70 Grad Celsius tolerieren.

In den Spülmaschinen fand man außerdem Bakterien, die typischerweise Haut oder Darm des Menschen besiedeln, wie Staphylokokken, Streptokokken und Enterokokken. Diese habe man bislang noch nicht unter solch extremen Bedingungen nachweisen können. »Die Fülle der Bakterien im Inneren spiegelt das Mikrobenprofil der menschlichen Bewohner«, so die Forscher. Weitere Einflüsse: das Alter der Maschine, die Häufigkeit ihres Gebrauchs, Reinigungsmittel und Wasser – bei hartem Wasser etwa entwickelte sich in Biofilmen eine größere Pilzvielfalt.

Bleichmittel und hohe Temperaturen erledigen Keime

Inwieweit Spülmaschinen tatsächlich eine Quelle von Krankheiten sein könnten, wollen die Forscher nicht abschließend beurteilen. Die spezifischen Mikroorganismen ließen sich mit den in dieser Studie genutzten Methoden nicht hinreichend genau bestimmen, erklären sie. Auch habe man nicht zwischen lebenden und toten Zellen und Sporen unterscheiden können.

Trotzdem wird empfohlen, nach einem Spülgang zu warten, bis sich die Luft in der Maschine abgekühlt hat, damit sich etwaige Erreger nicht mit dem Dampf im Raum verteilen könnten. Außerdem solle man regelmäßig insbesondere Gummidichtungen, Filter und Sprüharm reinigen, bei mindestens 60 Grad Celsius spülen und bleichmittelhaltigen Geschirrreiniger verwenden.

Für Waschmaschinen gilt das ebenso. Denn auch sie taugen bei niedrigen Temperaturen nicht als Sterilisatoren: Wasche man etwa ein neues Baumwoll-T-Shirt gemeinsam mit der getragenen Kleidung, so verteilten sich alte und neue Bakterien einfach über alle Wäschestücke, stellte eine kleine Untersuchung in belgischen Haushalten fest. Die Bakterien der Kleidung vermischten sich außerdem mit jenen im einströmenden Wasser sowie der waschmaschineneigenen Mikroben-WG. Erst ab 60 Grad und bei bleichehaltigem Waschmittel hätten die meisten der Survival-Spezialisten keine Chance mehr.

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