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Indonesien: Das älteste Tierbild der Menschheitsgeschichte

Eine 45 500 Jahre alte Malerei von Pustelschweinen ziert eine Höhlenwand auf Sulawesi. Es ist das frühste bekannte Tierbild, vielleicht das frühste Bild aus Menschenhand überhaupt.
Aufnahme in Falschfarben von Pustelschweinen an einer Höhlenwand auf Sulawesi. Das Alter: 45500 Jahre.

In einer Höhle auf der indonesischen Insel Sulawesi haben Archäologen die wohl älteste bekannte Malerei entdeckt. Es handelt sich um das Bild von mindestens drei Sulawesi-Pustelschweinen (Sus celebensis). Forscher um die Archäologen Maxime Aubert, Adhi Agus Oktaviana und Adam Brumm von der Griffith University in Australien datierten eine der Schweinedarstellungen auf ein Alter von mindestens 45 500 Jahren, wie sie im Fachblatt »Science Advances« berichten. Sie gehen davon aus, dass die übrigen Tierbildnisse ebenso alt sind.

Die mit rotem Ocker aufgetragenen Malereien zieren eine Wand in der Höhle Leang Tedongnge, die sich im Karstgebiet von Maros-Pangkep befindet. Sie zeigt mindestens drei, vielleicht vier Schweine im Profil. Das am besten erhaltene Tierbild untersuchten die Forscher mit Hilfe der Uran-Thorium-Methode. Dazu wird das Mengenverhältnis von Uran und dessen Zerfallsprodukten in den Kalkschichten bestimmt, die sich im Lauf der Zeit über den Darstellungen ablagerten. Daraus lässt sich das ungefähre Alter der Kalkschichten ableiten, das zugleich ein Mindestalter für die Malereien liefert.

Sulawesi-Pustelschwein | Das Tierbild in der Leang-Tedongnge-Höhle ist ungefähr 136 Zentimeter lang und 54 Zentimeter hoch. Eine Datierung mit Hilfe der Uran-Thorium-Methode ergab: Es ist mindestens 45 500 Jahre alt. Links oberhalb des Tiers befinden sich zwei Handumrisse.

Auf diese Weise konnten die Archäologen auch für eine weitere Darstellung mit demselben Motiv nachweisen, dass sie vor mindestens 32 000 Jahren aufgetragen wurde. Jenes Bild eines Sulawesi-Pustelschweins befindet sich in der Höhle Leang Balangajia 1 in derselben Region.

Dass es sich tatsächlich um Darstellungen von Sus celebensis handelt, lässt sich laut den Forschern an den zwei spitzen Erhebungen am Kopf erkennen. Diese deuten Aubert und sein Team als die typischen Schwellungen (Pusteln) im Augenbereich der Tiere. Auch am Kinn springen zwei Warzen hervor. Dafür wollen die Archäologen jedoch erst in einer Folgestudie eine Erklärung liefern.

Leang Tedongnge | Die Aufnahme zeigt das Innere der Höhle nahe dem Eingang.

Ungeklärt sei, welche Menschenform die Bilder malte. Aus Indonesien sind Knochen- und Werkzeugfunde überliefert, die lange vor den Pustelschweinbildern auf die Inseln gelangten. Steingeräte aus Talepu im Süden von Sulawesi etwa gehen in die Zeit von vor 118 000 bis 194 000 Jahren zurück, wie Aubert, Oktaviana und Brumm berichten. Womöglich existierten noch Nachfahren jener archaischen Homininen, als anatomisch moderne Menschen vor rund 60 000 bis 70 000 Jahren nach Südostasien gewandert waren. Als nun ältesten Beleg für die Anwesenheit von Homo sapiens in Wallacea – dem Gebiet jenseits der Wallace-Linie, zu dem auch Sulawesi zählt – werten die Forscher die neu datierten Malereien. Doch: »Ausgehend von der momentanen Beweislage können wir nicht sicher feststellen, dass die figürliche Felskunst aus Leang Tedongnge das Werk eines kognitiv ›modernen‹ Angehörigen unserer Spezies war«, räumen Aubert und seine Kollegen ein. »Allerdings scheint es hinsichtlich des Entwicklungsgrads dieser frühen Kunstwerke die wahrscheinlichste Erklärung zu sein.« Denn bisher seien figürliche Darstellungen nur vom anatomisch modernen Menschen überliefert.

Jahrelang galt hingegen als gesichert, dass die älteste bekannte Kunst der Welt von der Schwäbischen Alb kommt. Spätestens seit 2018 ist dieser Rekord gefallen. Die Archäologen um Maxime Aubert entdeckten damals zirka 40 000 Jahre alte Höhlenmalereien auf Borneo. 2019 stellten sie ein weiteres, noch älteres Felsbild aus der Höhle Leang Bulu' Sipong 4 im Süden der Insel Sulawesi vor, das sie als narrative Darstellung identifizierten. Es entstand vor zirka 43 900 Jahren. Darüber hinaus waren die Archäologen an weiteren Stellen in derselben Karstregion fündig geworden. Bislang sind aus rund 300 Höhlen in Maros-Pangkep Malereien bekannt. Meist sind einheimische Wildtiere in roter Farbe abgebildet: Zwergrinder (Anoas) und weitaus am häufigsten Sulawesi-Pustelschweine mit ihren typischen Gesichtsschwellungen.

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