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Domestizierung: Haustier-Gene im zahmen Fuchs

Besonders ein Gen macht Füchse zu zahmen Haustieren, berichten Forscher nach Genanalysen. Davor lagen Jahrzehnte intensiver Zuchtbemühungen.
Domestizierter Silberfuchs aus Sibirien

Seit den 1960er Jahren arbeiten russische Forscher in einer Versuchsanlage in Sibirien daran, Füchse zu menschenfreundlichen Haustieren zu machen, was tatsächlich erstaunlich gut klappt: In einer gezielt selektionierten zahmen Linie von Silberfüchsen hat sich das Verhalten über Generationen hinweg so deutlich verändert, dass die in chronischen Finanzierungsschwierigkeiten steckenden Wissenschaftler längst Hausfüchse an Interessierte verkaufen. Weniger gut untersucht war bisher, was genau sich dabei im Erbgut der zahm gezüchteten Tiere abgespielt hat. Nun haben Genanalytiker nachgesehen und eine Reihe von Veränderungen dokumentiert, die zahme von aggressiven Füchsen unterscheiden. Besonders die Veränderungen in einem Gen – SorCS1 – scheinen für den Domestizierungsprozess wichtig zu sein, schreiben die Forscher nun im Fachmagazin »Nature Ecology & Evolution«.

Dieses Gen reguliert unter anderem Proteine, die bei der synaptischen Plastizität und der Kommunikation zwischen Neuronen des Fuchshirns eine Rolle spielen. Neben SorCS1 sind allerdings noch weitere 102 Regionen des Erbguts bei besonders zahmen Füchsen anders gestrickt als bei den anderen beiden Zuchtlinien: einer neutralen und einer, in der sich seit Generationen nur wilde und gegenüber dem Menschen aggressive Tiere fortpflanzen dürfen. Das Experiment hatte der Verhaltensbiologe Dmitrij Beljaew 1959 begonnen: Er rekrutierte 30 männliche und 100 weibliche halbwilde, also bereits ein wenig an Menschen gewöhnte Silberfüchse von einer Fuchsfarm und teilte sie nach ihrer Aggressivität in eine wild-aggressive, eine zahme und eine dritte Zuchtlinie ein, bei der nicht besonders in die Fortpflanzung eingegriffen wurde. In der aggressiven und in der zahmen Linie werden dagegen seit Jahrzehnten immer die fünf bis zehn Prozent typischsten Tiere zur Vermehrung ausgewählt.

Über Generationen gezähmt | Eine Auswahl aus der zahmen Zuchtlinie, die seit den 1960er Jahren in Sibirien gehalten wird. Die Stammväter und -mütter der Tiere waren halbwilde Silberfüchse von einer Pelzfarm. Zahme Tiere gibt es in vielen Farbvarianten – auffällig oft aber gibt es Füchse mit einer Fleckenzeichnung.

In der zahmen Linie sind so die über Generationen ausgewählten Tiere verspielter sowie kontaktfreudiger geworden und entwickelten allmählich Eigenschaften wie das Schwanzwedeln oder den Augenkontakt in Gegenwart vertrauter Personen. Zudem veränderte sich das Äußere der Hausfüchse. Sie zeigen eher welpentypische Schlappohren, eingerollte Schwänze und eine Fleckenfellzeichnung – spannenderweise alles äußerliche Eigenschaften, die bei ganz anderen domestizierten Arten ebenfalls auffallen, etwa bei Schweinen, Kühen und Hunden. Auch diese Veränderungen beim zahmen Silberfuchs sind genetisch fassbar – viele der in der aktuellen Analyse gefundenen typisch »zahm« machenden Erbgutveränderungen liegen allerdings in Genen, die bei Menschen mit neurologischen und psychischen Störungen verändert sind. Wahrscheinlich beeinflussen sie Verhaltensausprägungen, spekulieren die Forscher. Im Übrigen bedeutet bei Füchsen »zahm« nicht gleichzeitig »als Haustier geeignet«: Auch die liebsten der Tiere lernen eher nach Laune als nach menschlicher sozialer Konvention. Zudem verbreiten sie selbst nach einigen Zuchtgenerationen noch ihren arttypisch gewöhnungsbedürftigen Geruch.

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