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Zu groß und zu teuer: Harte Zeiten für die Atomkraft?

Wirtschaftliche Gründe wie billiges Erdgas drohen der US-Kernenergie den Geldhahn abzudrehen. Das liege auch daran, dass neue Reaktortypen nicht verfügbar sind, so die Autoren.
Ein Atomkraftwerk mit Kühltürmen in einer Flussbiegung

»Die USA dürften in den nächsten paar Jahrzehnten, aus absolut vorhersehbaren und lösbaren Gründen, praktisch ihre gesamte Atomenergie verlieren« – das jedenfalls ist die Schlussfolgerung eines Teams um M. Granger Morgan von der Carnegie Mellon University im Hinblick auf die Zukunft der Atomkraft in den USA. Niedrige Gaspreise bedrohten bestehende Reaktoren, von denen einige bereits aus wirtschaftlichen Gründen abgeschaltet wurden, berichten die Forscher in »PNAS« – und weil die Meiler so teuer und komplex sind, erscheine es äußerst unwahrscheinlich, dass in den nächsten Jahrzehnten neue Anlagen entstünden.

Eine von ihnen durchgeführte Marktanalyse zeige keine glaubwürdige Perspektive für in Serie hergestellte kleine Reaktoren, die einzige bestehende Alternative zu den Großanlagen. Da die Energiemärkte weitgehend global sind, betreffen die genannten Gründe auch in anderen Ländern mögliche Kraftwerksneubauten. Inwieweit die Schwierigkeiten der US-Industrie, die mit Abstand die meisten Meiler betreibt, Signalwirkung für andere Länder haben, ist allerdings unklar. Gerade in Asien sind derzeit viele neue Reaktoren im Bau.

Hintergrund der Analyse von Morgan und seinen Kollegen ist die Frage, welchen Beitrag Atomenergie als relativ klimaneutrale Energiequelle leisten kann, um den Kohlenstoffausstoß der US-Energiewirtschaft zu reduzieren. Das Resultat ist ernüchternd. Nicht nur werden Reaktoren stillgelegt, auch aktuelle Pläne für neue Anlagen scheiterten jüngst oder verursachen immense Kosten. Ein Projekt in South Carolina wurde 2017 beerdigt – nachdem es bereits neun Milliarden US-Dollar gekostet hatte; ein anderes Kraftwerk in Florida kam nicht übers Planungsstadium hinweg. Deswegen sei es unwahrscheinlich, dass private Unternehmen in Zukunft weitere derartige Projekte in Gang bringen, und auf staatlicher Seite fehle ebenfalls der Wille, ein Infrastrukturprojekt dieses Ausmaßes anzuschieben. Auch neue, moderne Reaktortypen werden diese Misere nicht beheben, einfach weil sie auf Jahrzehnte hinaus nicht kommerziell verfügbar sind, prophezeien die Autoren. Darum sehen sie für die nächsten, in Klimafragen entscheidenden Jahrzehnte einen sinkenden Beitrag der Atomkraft zum US-Energiemix.

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