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Ebbe, Flut & Co: Gezeiten dritten Grades global gemessen

Ebbe und Flut kommen zweimal am Tag – doch tatsächlich ist es komplizierter. Nun kann man auch einen subtilen Effekt des Mond-Schwerkraftfeldes auf die Meere messen.
Der Vollmond über dem Meer, knapp über dem Horizont. Ja, die Farbe ist echt, genau wie bei der untergehenden Sonne.

Zweimal am Tag wechseln sich an den Küsten der Ozeane Ebbe und Flut ab. Doch das Wechselspiel der Gezeiten ist komplexer als das. Nun hat Richard Ray vom Goddard Space Flight Center der NASA mit Hilfe von Satellitendaten Karten eines bisher nahezu unmessbaren Effekts erstellt: Gezeiten dritten Grades. Diese Schwankungen entstehen durch das unterschiedlich starke Schwerefeld des Mondes auf den ihm zu- und abgewandten Erdseiten, und sie erreichen meist nur einen oder zwei Millimeter Höhe. Wie Ray nun jedoch in »Science Advances« berichtet, ist der Effekt sehr ungleich verteilt und erreicht an einigen Küsten sogar über zehn Zentimeter Höhe.

Dass die täglichen Wasserstandsänderungen auch unabhängig vom Wetter nicht immer gleich sind, ist schon lange bekannt. Die verschiedenen Positionen von Sonne und Mond erzeugen längere Zyklen, zum Beispiel die Springtiden, bei denen Hoch- und Niedrigwasser besonders extrem ausfallen. Die Gezeiten dritten Grades entstehen, weil die beiden »Wasserberge« der Gezeiten – einer auf der mondzugewandten Seite der Erde, der andere direkt gegenüber – nicht symmetrisch sind. Das liegt an der unterschiedlichen Entfernung beider Wasserberge zum Mond und der dadurch leicht unterschiedlichen Schwerkraft, und es macht die Bewegung des Wassers in den Ozeanen deutlich komplexer. Um diesen Effekt zum Beispiel für die Gezeitenvorhersage zu erfassen, muss man auf Kugelflächenfunktionen dritten Grades zurückgreifen. Daher der Name.

Diese Funktionen dritten Grades liefern komplexere Zyklen und Muster als jene zweiten Grades, mit denen man das Verhalten der beiden »klassischen« Wasserberge beschreibt. So analysiert Ray vier unterschiedliche Gezeiten: Zwei folgen dem normalen halbtäglichen Gezeitenrhythmus, eine weitere tritt einmal am Tag auf, und die vierte dreimal am Tag. Da diese Schwankungen recht gering sind und schon durch Wetter, Meeresströmungen und sogar die Verformung der Erdkruste durch den Mond überlagert werden können, muss man den Effekt statistisch aus all solchen Störfaktoren herausfiltern.

Seine Arbeit zeige vor allem, dass die inzwischen drei Jahrzehnte überspannenden Satellitenmessungen genug Daten geliefert haben, um jene subtilen Effekte aus dem Rauschen herauszufiltern und eine Weltkarte der Gezeiten dritten Grades zu erstellen, schreibt Ray. Er vergleicht seine Resultate mit früheren Analysen auf der Basis von Pegelmessungen aus dem Nordatlantik – wo eine dieser Gezeiten besonders stark ist und bereits bei Messungen auffiel –, Drucksensoren am Meeresboden sowie früheren mathematischen Berechnungen der Gezeiten dritten Grades. Demnach decken sich die aus den Satellitendaten gewonnenen Karten grob mit den Ergebnissen der anderen Ansätze.

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