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Krankheiten: Gentest enthüllt heimlichen Sex

Seit Jahrzehnten rätseln Fachleute über einen gefährlichen einzelligen Parasiten: Tut er es - oder tut er es nicht? Die Antwort wirft, wie so oft, sofort eine neue Frage auf.
Symbolbild eines Trypanosomen, unter anderem Erreger der Schlafkrankheit. Die Darstellung hat den groben Fehler, dass das Viech in der Darstellung schwimmt wie ein makroskopisches Tier, zum Beispiel eine Schlange oder ein Aal. Das funktioniert auf der Größenskala eines Einzellers natürlich nicht, weil Wasser - ganz zu schweigen von Blut - in dem Maßstab viel zäher ist. Tatsächlich bewegen sich die Parasiten dadurch fort, dass sie mit ihrer Geißel schlagen.

Eine überraschende Entdeckung bei einem gefährlichen Parasiten enthüllt ungeahnte Umtriebe: Trypanosomen haben heimlich Sex. Damit korrigiert eine Arbeitsgruppe um Martin S. Llewellyn von der University of Glasgow einen jahrzehntealten Irrtum über Trypanosoma cruzi, den Erreger der Chagas-Krankheit. Fachleute gingen bisher davon aus, dass der Einzeller vergleichsweise selten genetisches Material austauscht – vor allem nicht durch so genannten meiotischen Sex, bei dem sich zwei Geschlechtszellen mit jeweils nur der halben Anzahl Chromosomen zu einer neuen Zelle vereinen, deren Erbgut zur Hälfte von Mutter und Vater kommt. Doch eine Analyse des Erbguts von 45 T.-cruzi-Genomen aus Südecuador zeigt, dass ein Teil der Parasiten sich tatsächlich geschlechtlich vermehrt – während andere Abstammungslinien aus Klonen bestehen. Warum das so ist und wieso beide Arten der Fortpflanzung nebeneinander vorkommen, ist unklar.

Die durch Stiche von Raubwanzen sowie verschmutzte Lebensmittel verbreitete Chagas-Krankheit ist in Süd- und Zentralamerika weit verbreitet, kommt aber immer häufiger auch in Nordamerika, Asien und Europa vor. Laut Schätzungen sind möglicherweise über zehn Millionen Menschen weltweit infiziert, viele von ihnen ahnen nichts von der potenziell tödlichen Krankheit. Ein zusätzliches Problem ist, dass sich die Krankheit nur sehr schwer behandeln lässt – die einzigen verfügbaren Medikamente haben schwere Nebenwirkungen, und Resistenzen dagegen sind auch schon bekannt. Nicht zuletzt deswegen interessieren sich Fachleute sehr für das Liebesleben des Parasiten, doch die Frage nach Sex oder nicht Sex hat auch für die Evolutionsforschung große Bedeutung – Trypanosoma cruzi galt einigen Arbeitsgruppen bereits als Modell für die Evolution einer sich ohne Sex vermehrenden Art. Das spiegle aber wohl nicht die biologische Realität wider, schreibt das Team um Llewellyn jetzt in »Nature Communications«. Nun, da diese Frage anscheinend geklärt ist, gilt es allerdings ein neues Rätsel zu lösen: Wann und wo treiben es die Einzeller?

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