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Gemeinschaftssinn: Gefühlter Reichtum macht Reiche weniger großzügig

Seit Langem wissen Soziologen: Je ungleicher Reichtum in einer Gemeinschaft verteilt ist, desto unglücklicher sind die Menschen. Das gilt auch für die Gewinner der ungerechten Verteilung - aber wollen sie das auch ändern?
Gerechtigkeit

Soziologen sind sich einig, dass Ungleichheit das Nettoglück in einer Gemeinschaft viel nachhaltiger schädigen kann als etwa Armut: In einer Gesellschaft mit sehr ungleich verteiltem Reichtum sind Menschen eher unglücklich, wie viele Befragungen gezeigt haben. Das sorgt allerdings nicht dafür, dass Reiche die Ungleichheit zu minimieren suchen. Womöglich bringt Ungleichheit die Besitzenden im Gegenteil sogar eher dazu, umso mehr auf ihren eigen Vorteil zu achten, wie eine Studie von Ökonomen um Stéphane Côté von der University of Toronto nahelegt.

Die Forscher hatten zunächst Daten aus einer repräsentativen Befragung von 1498 US-Bürgern ausgewertet, die unter anderem die Spendenbereitschaft in verschiedenen Szenarien untersuchte. Côtés Team analysierte nun die nach Einkommen gestaffelten oberen und unteren 15 Prozent aus verschiedenen US-Bundesstaaten mit jeweils unterschiedlich ungleich verteiltem Reichtum. Dabei zeigte sich, dass Reiche aus besonders ungleichen Staaten weniger spendenfreudig waren.

Diesem Trend gingen die Ökonomen dann in einem eigenen Experiment nach: Sie rekrutierten 704 Freiwillige, erfragten deren Jahreseinkommen und testeten ihre Großzügigkeit gegenüber Dritten mit verschiedenen Spielen, wobei sie die Teilnehmer zuvor einem gezielten Priming unterzogen: Sie wurden mit unterschiedlichen Vorinformationen über das Ausmaß der ungleichen Einkommensverteilung in ihrem Bundesstaat gefüttert. In den Tests zeigten sich die wohlhabenderen Personen nun insgesamt weniger großzügig gegenüber anderen – dies aber nur dann, wenn ihnen zuvor eine hohe Ungleichheit suggeriert worden war. Auf arme Versuchsteilnehmer hatten die Vorabinformationen dagegen keine Auswirkung.

Die Ergebnisse bestätigen eine Reihe anderer Studien und anekdotischer Beobachtungen, die individuellen Reichtum mit wachsender Intoleranz gegenüber Dritten in Verbindung gebracht haben: So hatten Untersuchungen nahegelegt, dass Fahrer teurer Automobile weniger auf andere Verkehrsteilnehmer achten oder dass Menschen in Machtpositionen einer Benachteiligung ihnen gegenüber viel entschiedener entgegentreten. Offenbar macht ungleich verteiltes Geld demnach nicht nur nicht glücklich, sondern die Besitzenden vor unter Bedingungen größerer Ungleichheit ängstlich.

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