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Ökologie: Forscher wollen Waldsterben vorhersagen

Wälder sterben nicht allmählich, sondern durchlaufen an einem bestimmten Punkt einen kritischen Übergang - auf dieser Hypothese basiert ein neues Prognoseverfahren.
Abgestorbene Bäume

Eine allgemeine Eigenschaft komplexer Systeme soll Fachleuten helfen, das Schicksal ganzer Wälder im Klimawandel bis zu anderthalb Jahre im Voraus zu bestimmen. Wie ein Team um Mukesh Kumar von der Duke University in Durham berichtet, zeigen Wälder unter Klimastress einen Rückgang der Widerstandskraft, der sich mit Satelliten nachweisen lässt und einem als »critical slowing down« bezeichneten Phänomen entspricht. So nennt man eine verzögerte Reaktion auf äußere Störungen, die nach theoretischen Studien und auch in vielen Beobachtungen in komplexen Systemen nahe an einem Übergang zwischen zwei stabilen Zuständen auftritt. Wie die Arbeitsgruppe in »Nature Climate Change« berichtet, zeigen Satellitendaten von geschädigten Wäldern in Kalifornien, dass die Bäume ihr Blätterdach bereits Monate vor dem Absterben des Waldgebiets messbar langsamer regenerierten. Auf diesem Weg lasse sich ein Warnsignal ableiten, das den drohenden Übergang von Wald- zu Buschland ankündigt – und so hilft, ihn abzuwenden.

Die Arbeitsgruppe im Kumar nutzte Bilder des Satelliten Landsat 7, um für die Wälder des US-Bundesstaats Kalifornien den normierten differenzierten Vegetationsindex (NDVI) seit der Jahrtausendwende zu bestimmen. In diesen Zeitraum fielen zwei schwere Dürreperioden, und 2016 starben große Waldflächen ab. Dieser Prozess zeigt die Merkmale eines kritischen Übergangs, ähnlich einem Phasenübergang in der Physik: Trotz der Trockenheit stieg der Anteil der sterbenden Waldflächen über Jahre kaum an, um dann dramatisch in die Höhe zu schießen.

Aus den Vegetationsdaten errechnete das Team einen als Autokorrelation bezeichneten Parameter, ein Maß dafür, wie schnell ein angegriffenes Kronendach wieder ergrünte. Auch dieser Wert blieb über Jahre einigermaßen konstant trotz andauernder Dürre, bis er ebenso wie die Rate des Waldsterbens deutlich stieg. Das jedoch eine ganze Zeit vorher. Anhand der Beobachtungen definierte das Team einen Schwellenwert, der einen Verlust an Widerstandskraft markiert und der in den ersten sieben Jahren Dürre nicht überschritten wurde. Zwar störten kleinräumige Einflüsse wie Insektenbefall den Zusammenhang zwischen Schwellenwert und klimabedingtem Waldsterben – das sei aber auf größeren Flächen weniger relevant, da solche Effekte ihrerseits wieder mit dem Klimawandel zusammenhingen, so das Team. Allerdings scheint das Verfahren darauf hinauszulaufen, dass der Schwellenwert für jeden Waldtyp separat bestimmt werden muss – die Widerstandskraft gegen Dürrestress hängt von der einzelnen Baumart und damit von der Zusammensetzung des Waldes ab.

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