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Emissionshandel: Wie Klimaschutz Armut erhöht - und senkt

Zusätzliche Kosten durch einen Kohlendioxidpreis belasten die Armen am stärksten. Abhilfe soll eine in den Emissionshandel eingebaute Umverteilung schaffen.
Hirte mit Rinderherde

Einige Maßnahmen zum Klimaschutz haben das Potenzial, Armut zu verschärfen – aber man kann dem mit geeigneten Ausgleichsmaßnahmen entgegenwirken. Das ist das Ergebnis eines Teams um Björn Sörgel vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung auf Basis von Computermodellen der zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung. Die Arbeitsgruppe modellierte dafür, welchen Preis Kohlendioxid im Emissionshandel haben müsste, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, und welche wirtschaftliche Folgen das hätte. Laut der Veröffentlichung in »Nature Communications« würde der nötige Kohlendioxidpreis, die Zahl der weltweit von extremer Armut betroffenen Menschen um etwa 14 Prozent erhöhen. Allerdings biete der Emissionshandel gleichzeitig auch eine Lösung des Problems: Würde man die Preise nach Ländern staffeln, könnte der Emissionshandel mit dieser Form der Umverteilung die globale Armut sogar reduzieren.

Diese Prognosen spielen sich vor dem Hintergrund der seit Jahren sinkenden Armut ab. 2019 lebten noch etwa 600 Millionen Menschen in extremer Armut, definiert als Einkommen von unter 1,90 Dollar pro Tag. Im Jahr 2030, auf das sich die Modelle von Sörgel und seiner Arbeitsgruppe beziehen, wird die Zahl – wenn man die Pandemie ignoriert und gegenwärtige Trends weiterschreibt – auf etwa 350 Millionen sinken. Durch den Emissionshandel wiederum würden Kohlendioxidkosten auf viele Güter aufgeschlagen, so dass die Lebenshaltungskosten stiegen, was abhängig von der genaue Preisgestaltung die Zahl der extrem Armen erhöhte. Doch die Studie zeigt auch, dass Klimaschutz keineswegs notwendigerweise die Armen überproportional belastet – jedenfalls wenn der politische Wille vorhanden ist, dies zu verhindern.

Das Team simulierte die Auswirkungen von Kohlendioxidpreisen für drei verschiedene Entwicklungspfade, einerseits eine nachhaltige Entwicklung, andererseits eine mittlere Entwicklung nahe an historischen Trends und drittens eine sehr stark markt- und technikorientierte Entwicklung mit starken Investitionen in globale Entwicklung. Dabei steigt die Zahl der extrem Armen durch den Kohlendioxidpreis zum Beispiel im mittleren Szenario um bis zu 50 Millionen – am stärksten im subsaharischen Afrika. Vergleichbares gilt in den anderen Szenarien, auch im marktorientierten Szenario, das die Armut für sich genommen am stärksten reduziert.

Abhilfe schafft nach Ansicht des Teams, die Kohlendioxidpreise nach Ländern zu staffeln, so dass das System gleichzeitig genutzt wird, um Wohlstand in ärmere Länder umzuverteilen. Eine solche Strategie führte in den Modellen dazu, dass der Effekt der Kohlendioxidkosten auf die Armut vollständig ausgeglichen wird. Das gilt in den Szenarien allerdings nur im globalen Mittel. Während ein solcher progressiver Emissionshandel Armut in weiten Teilen der Welt sogar reduzieren würde, zeigen die Daten, dass das subsaharische Afrika auch hier schlechter dastünde. Entsprechend müssten diesen Staaten neben den Umverteilungen im Emissionshandel zusätzliche Maßnahmen zur Reduktion der Armut zugutekommen.

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