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Sozialverhalten: Die Folgen des Lügens

Wer sich selbst unehrlich verhält, kann die Gefühle anderer Menschen anschließend schlechter deuten.
Frau kreuzt die Finger hinter dem Rücken

Wenn wir lügen und betrügen, riskieren wir nicht nur, uns auf Dauer unglaubwürdig zu machen: Wir werden womöglich auch vorübergehend blind für die Gefühle anderer. Das zeigen acht Experimente mit insgesamt mehr als 2500 Versuchspersonen, die Forscher um Julia Lee von der University of Michigan durchführten.

In einem der Versuche befragten sie ihre Probanden zum Beispiel zunächst dazu, wie oft sich diese in ihrem Job unehrlich verhielten. Anschließend präsentierten sie ihnen auf einem Bildschirm das Gesicht eines Schauspielers, bei dem aber lediglich die Region um die Augen klar zu erkennen war, und baten sie einzuschätzen, wie sich die gezeigte Person wohl gerade fühlte. Personen, die im Alltag häufiger logen, waren im Ergebnis schlechter darin, den Gemütszustand an den Augen anderer abzulesen.

In einem weiteren Experiment gaben Lee und ihr Team Studenten die Möglichkeit, Geld zu gewinnen. Dazu mussten diese lediglich vorhersagen, welche Seite eines Würfels die höhere Zahl zeigen würde. Ein Teil der Versuchspersonen sollte den Tipp am Anfang des Spiels abgeben, die andere Hälfte musste sich erst entscheiden, wenn die Würfel bereits gefallen waren – und bekam so die Möglichkeit zu betrügen. Wie die Auswertung zeigte, machten die Probanden der zweiten Gruppe davon ausführlich Gebrauch (sie nannten deutlich häufiger die richtige Zahl als die Teilnehmer der Kontrollgruppe). Im Anschluss waren sie ebenfalls schlechter darin, die Gefühle anderer korrekt zu identifizieren.

Doch warum macht uns unsere eigene Unehrlichkeit weniger empfänglich für die Emotionen unserer Mitmenschen? Offenbar führen Lügen dazu, dass wir uns innerlich von unserem Umfeld distanzieren, argumentieren Lee und ihre Kollegen. Um unser unmoralisches Handeln vor uns selbst zu rechtfertigen, blenden wir unsere sozialen Rollen aus – und damit auch ein Stück weit den Gemütszustand anderer. Dazu passt die Beobachtung der Forscher, dass Probanden, die im Spiel betrogen, sich selbst weniger mit Hilfe sozialer Begriffe beschrieben als Teilnehmer der Kontrollgruppe. Wie lange die Folgen des Lügens in diesem Fall anhalten, ist allerdings noch unklar.

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