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Abnehmen: »Medikamente wie Wegovy sind keine Lifestyle-Drogen«

Das Abnehmmedikament Wegovy lässt den Heißhunger verschwinden und macht schneller satt. Für wen sich solche Mittel eignen, warum sie andere, schwere Krankheiten verhindern und weshalb die Krankenkassen die Behandlung bezahlen sollten – darüber sprechen die Adipositasexperten Matthias Tschöp und Matthias Blüher im Interview.
Rückansicht eines übergewichtigen laufenden Mannes
In Deutschland sind rund 54 Prozent der Bevölkerung – 47 Prozent der Frauen und 61 Prozent der Männer – von Übergewicht einschließlich Adipositas betroffen. Bei 19 Prozent der Erwachsenen liegt eine Adipositas vor.
Quelle: Robert Koch-Institut (RKI) »Journal of Health Monitoring«, 2022, 7 (3)

Nach der Zulassung 2021 in den USA können stark übergewichtige Menschen die Abnehmspritze Wegovy seit Sommer 2023 auch in Deutschland bekommen. Das Mittel dämpft das Hungergefühl und beschleunigt das Einsetzen des Sättigungsgefühls. Wie in den USA ist auch hier zu Lande der Hype um das Medikament extrem groß: Während übergewichtige Menschen wieder auf mehr Lebensqualität hoffen, feiern Fachleute die vielseitigen positiven gesundheitlichen Auswirkungen. Wird das Medikament also wirklich unsere übergewichtige Gesellschaft wieder schlanker und gesünder machen? Wer kann das Mittel bekommen, welche Nebenwirkungen hat es, und weshalb bezahlt die Krankenkasse die Therapie nicht? Darüber sprach »Spektrum.de« mit zwei ausgewiesenen Adipositasexperten.

»Spektrum.de«: Herr Blüher, Herr Tschöp, seit Sommer 2023 ist die Abnehmspritze Wegovy auch in Deutschland erhältlich. Wie hoch ist die Nachfrage?

Matthias Blüher: Die Nachfrage ist sehr, sehr hoch. Viel höher als bei anderen Medikamenten zur Adipositastherapie. Wir haben ja Erfahrung mit einem ähnlichen Wirkstoff namens Liraglutid, der aber nicht so effektiv ist. Ich schätze, dass ich mit diesem Medikament insgesamt so viele Patientinnen und Patienten behandelt habe wie jetzt in nur einer Woche mit Wegovy.

Matthias Tschöp: Die hohe Nachfrage spüre auch ich. Mich schreiben vermehrt Betroffene an, die nicht wissen, dass ich nicht klinisch arbeite, und fragen nach dem neuen Abnehmmittel.

Kann die hohe Nachfrage denn bedient werden?

Blüher: Ich kann das Medikament zwar verschreiben, die Frage ist nur, ob die Betroffenen es dann in der Apotheke bekommen. Meiner Erfahrung nach können derzeit nicht alle Patienten versorgt werden, weil es Lieferengpässe gibt.

Matthias Tschöp | Der Neuroendokrinologe ist einer der international führenden Wissenschaftler für Diabetes und Adipositas. Er hat eine Alexander-von-Humboldt-Professur an der Technischen Universität München und ist wissenschaftlicher Geschäftsführer sowie Sprecher der Geschäftsführung am Helmholtz Zentrum München.

Ist das mit ein Grund dafür, weshalb es nach der US-amerikanischen Zulassung zwei Jahre gedauert hat, bis Wegovy auch in Deutschland auf den Markt kam?

Tschöp: Es ist meistens so, dass Medikamente zuerst von der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA zugelassen werden und später von der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA in Europa und somit in Deutschland. Aus Sicht der Pharmafirmen ist der US-Markt meistens der wichtigste, daher stellen sie zuerst dort einen Zulassungsantrag. Bei Wegovy könnte jedoch die extrem hohe Nachfrage die Zulassung zusätzlich verzögert haben.

Themenwoche »Mein Körper, mein Gewicht«

Jedes Jahr das Gleiche: Nach der Schlemmerei in der Adventszeit nehmen sich viele Menschen zu Jahresbeginn vor, weniger zu essen und Kilos zu verlieren. Doch warum definieren sich Menschen so oft über ihre Körperform und ihr Gewicht? Von den psychologischen Motiven hinter dem Neujahrsvorsatz »Abnehmen«, der strauchelnden Body-Positivity-Bewegung bis hin zu Ansätzen wie intuitivem Essen und den neuesten Entwicklungen in der Adipositasmedizin: In dieser Themenwoche laden wir dazu ein, die Körperwahrnehmung und das eigene Gewicht aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten.

  1. Neujahrsvorsätze: Dieses Jahr nehme ich wirklich ab!
  2. Schlankheitskult: Das Ende der Body Positivity?
  3. Fettleibigkeit: Warum der Body-Mass-Index in die Irre führt
  4. Intuitives Essen: Spüren, was der Magen sagt
  5. Adipositasmedikamente: Hype ums neue Abnehmen
  6. Abnehmen: »Medikamente wie Wegovy sind keine Lifestyle-Drogen«

Weil man mit der Produktion des Medikaments nicht hinterherkam?

Tschöp: Genau. Aber tatsächlich geht es da nicht nur um das Mittel selbst, sondern auch um die Pens, also kleine Fertigspritzen zur Heimanwendung, die in ausreichender Zahl produziert werden müssen. Man muss eben sicherstellen, dass jede Behandlung, die man beginnt, auch fortgeführt werden kann. Wir sprechen weltweit ja von vielen hundert Millionen Menschen, für die das Medikament prinzipiell in Frage käme. Daher kann es nicht überall sofort von 0 auf 100 gehen.

»Es gibt auch Menschen, die mit niedrigen Dosen schon sehr erfolgreich Gewicht verlieren«Matthias Blüher, Professor für Klinische Adipositasforschung

In Deutschland ist ja schon länger Ozempic gegen Diabetes Typ II zugelassen, das ebenfalls den Wirkstoff Semaglutid enthält. Können Menschen mit Adipositas Ozempic off-label verschrieben bekommen?

Blüher: Nein. Das ist klar geregelt. Ozempic bekommen nur Patientinnen und Patienten mit Diabetes Typ II. Wegovy ist hingegen für Menschen mit Adipositas zugelassen. Aber man kann nicht ausschließen, dass Ozempic in Ausnahmefällen off-label verschrieben wird. Dann besteht natürlich das Risiko, dass derjenige, der das Medikament verordnet, am Ende dafür bezahlen muss.

Mit Ozempic nimmt man also ebenfalls ab?

Blüher: Klar, das ist derselbe Wirkstoff – nur nicht ganz so hoch dosiert. Es gibt jedoch auch Menschen, die mit niedrigen Dosen schon sehr erfolgreich Gewicht verlieren.

Sie hatten eingangs Liraglutid erwähnt. Der Wirkstoff erhielt 2015 unter dem Handelsnamen Saxenda in Deutschland die Zulassung, 2021 auch für Kinder und Jugendliche. Wie viel besser wirkt Semaglutid?

Blüher: Laut Studien reduziert Liraglutid das Gewicht im Mittel nur halb so gut wie Semaglutid. In absoluten Zahlen: Mit Liraglutid sind es im Durchschnitt 6 bis 8 Prozent Gewichtsverlust nach einem Jahr, bei Semaglutid liegen wir bei 16, 17 Prozent.

Herr Tschöp, Sie forschen zu Adipositas und an potenziellen Medikamenten nun schon seit 30 Jahren. Wieso war es eigentlich so schwierig, geeignete Wirkstoffe zu finden?

Tschöp: Als ich als junger Arzt angefangen habe, galt es als ausgeschlossen, ein Medikament zu entwickeln, das das Körpergewicht regulieren kann. Man dachte, das Überleben der Spezies sei so stark in uns verankert, dass sich der Appetit kaum herunterregulieren lässt. Bei der Suche nach geeigneten Wirkstoffen wurde uns dann schnell klar, dass man die Power von mehreren Signalen gleichzeitig braucht.

Was sind das für Signale?

Tschöp: Es sind Signale, die im Gehirn Hunger- und Sättigungsgefühle regulieren oder normalisieren. Sie werden durch Hormone vermittelt. Die Schwierigkeit besteht nun darin, dass das menschliche Hormonsystem aus vielen hundert Substanzen besteht. Manche Wirkmechanismen sind noch gar nicht entdeckt. Es ist gewissermaßen so, also wolle man ein Zahlenschloss knacken. Man dreht und dreht und dreht, um die richtige Kombination zu finden, aber jede einzelne Drehung bedeutet letztlich sechs bis neun Monate Arbeit. Dazu müssen Forschende immer wieder ein neues Hormon herstellen und an Zellen und Mäusen Experimente durchführen. Und diese vielen Wiederholungen mit unterschiedlichen Kombinationen dauern eben viele, viele Jahre. Das war die große Herausforderung.

Matthias Blüher | Der Endokrinologe und Diabetologe ist einer der weltweit führenden klinischen Wissenschaftler auf dem Gebiet der Adipositasforschung. Er ist Direktor des Helmholtz-Instituts für Stoffwechsel-, Adipositas- und Gefäßforschung, eines Instituts des Helmholtz Zentrums München. Zudem ist der Professor für Klinische Adipositasforschung an der Universität Leipzig und dem Universitätsklinikum Leipzig tätig.

Wenn ich nun zu Ihnen in die Sprechstunde komme, Herr Blüher, weil ich fünf oder vielleicht auch zehn Kilogramm verlieren möchte, verschreiben Sie mir dann Wegovy?

Blüher: Wenn jemand so zwischen 5 und 15 Kilogramm abnehmen müsste, um einen Gesundheitsvorteil zu erreichen, würde ich erst mal natürlich eine Ernährungsberatung und mehr Bewegung empfehlen. Meist reicht dies auch aus. Wenn jedoch der Patient oder die Patientin schon erfolglos viele nicht medikamentöse Maßnahmen ergriffen hat oder eine größere Gewichtsreduktion erforderlich ist, wäre ein Medikament der nächste Schritt.

Fortan also Wegovy?

Blüher: Wegovy kann ich dann verschreiben, wenn Menschen einen Body-Mass-Index (BMI) über 30 haben oder einen BMI über 27 mit Begleiterkrankungen des Übergewichts. Bei der Entscheidung, welches Mittel sich eignet, geht es aber nicht nur darum, was am besten wirkt, sondern auch um die Kosten, die ja selbst übernommen werden müssen. Das Medikament Orlistat, das die Fettverdauung verzögert, kostet ungefähr ein Drittel von Wegovy. Einige Patienten entscheiden sich daher zunächst einmal für diese günstigere Therapie.

Wie teuer ist denn die Behandlung?

Blüher: Orlistat kostet in einer normalen Dosierung zwischen 60 und 80 Euro pro Monat. Bei Wegovy sind wir bei etwa 170 Euro monatlich.

Die hohen Kosten sind also zu bedenken – auch weil man die Medikamente das ganze weitere Leben einnehmen müsste. Richtig?

Blüher: Mit Wegovy haben wir noch keine langfristigen Erfahrungen, aber dafür mit den anderen Medikamenten wie Liraglutid. Die meisten Patienten nutzen es, um erst einmal ein Zielgewicht zu erreichen – ähnlich wie bei einer Diät. Irgendwann setzen sie die Medikamente ab. Bei vielen kommt es dann wieder zu einer Gewichtszunahme. Natürlich können sie das Medikament erneut zu sich nehmen – vielleicht sogar lebenslang.

»Bei mehr als der Hälfte der Patientinnen und Patienten mit Diabetes Typ II normalisiert sich der Blutzuckerspiegel«Matthias Tschöp, Neuroendokrinologe und Adipositasexperte

Das wäre ziemlich kostspielig. Gibt es denn Fälle, bei denen die Krankenkasse bezahlt?

Blüher: Bei Übergewicht bislang nicht. Adipositas wurde zwar in Deutschland vor ein paar Jahren offiziell als Krankheit anerkannt, doch bislang ist man der Ansicht, dass es sich die Gesellschaft nicht leisten kann, für eine solche Therapie Geld aus einem gemeinsamen Versicherungstopf zu nehmen. Schließlich gibt es auch andere Medikamente, die aus diesem Grund nicht erstattet werden, zum Beispiel Potenzmittel oder bestimmte Halsschmerztabletten.

Tschöp: Erstattet werden die Kosten nur, wenn man die Mittel zur Behandlung von Diabetes Typ II einsetzt. Da gibt es eine große Überlappung zu Adipositas – viele Menschen leiden ja an beidem. Obwohl Wegovy und ähnliche Mittel darauf ausgelegt sind, Übergewicht zu reduzieren, und dadurch potenziell verhindern können, dass Diabetes entsteht, wirken sie auch direkt auf eine bereits vorhandene Diabeteserkrankung: Bei mehr als der Hälfte der Patientinnen und Patienten mit Diabetes Typ II normalisiert sich mit Wegovy der Blutzuckerspiegel.

Injektion | Wegovy soll einmal wöchentlich zu einem beliebigen Zeitpunkt angewendet werden. Dafür wird es mit einem Injektionspen unter die Haut in den Bauch, den Oberschenkel oder den Oberarm gespritzt.

Kann Wegovy also auch Menschen mit Diabetes Typ II verordnet werden?

Blüher: Man kann Wegovy im Prinzip bei Menschen mit Diabetes Typ II verschreiben, wenn der BMI über 27 liegt. Dann müssen es aber die Betroffenen selbst bezahlen – während Ozempic von den Kassen erstattet würde.

Würden Sie befürworten, dass die Krankenkassen in Deutschland solche Mittel bei Adipositas bezahlen?

Tschöp: Ja, ich würde für eine Möglichkeit zur Erstattung plädieren und vermute, dass es diesbezüglich bald Veränderungen geben wird.

Blüher: Die Fachwelt ist gespalten. Viele Hausärzte und deren Verbände sind eher dagegen, dass die Mittel erstattet werden. Man stuft dort die Schwere der Erkrankung nicht hoch genug ein. Leute wie ich, die sich fast jeden Tag mit Betroffenen beschäftigen, sehen das in der Regel anders. Wir würden befürworten, dass die Medikamente unter bestimmten Voraussetzungen erstattet werden. Es darf eigentlich nicht sein, dass nur die Reichen damit abnehmen können und dadurch gesünder werden. Denn klar ist: Mit Wegovy lassen sich Herz-Kreislauf-Erkrankungen reduzieren und andere Erkrankungen, die mit Adipositas assoziiert sind. Es geht also nicht nur um Kosmetik.

Das heißt, Wegovy beugt auch anderen Krankheiten vor?

Tschöp: Wenn sich das Gewicht normalisiert, ist es möglich, Diabetes Typ II zu verhindern. Das Risiko für viele andere Erkrankungen wird dadurch ebenfalls sinken, etwa für Krebs, Schlaganfälle und kardiovaskuläre Erkrankungen.

Wie Semaglutid das Herz schützt

Bei Menschen mit Übergewicht oder Adipositas konnte Semaglutid das Risiko für schwere kardiovaskuläre Ereignisse deutlich reduzieren, wie eine von Novo Nordisk finanzierte Studie Mitte November 2023 zeigte. Das Forschungsteam untersuchte Patientinnen und Patienten, die sowohl eine kardiovaskuläre Erkrankung als auch einen Body-Mass-Index über 27, jedoch keinen Diabetes hatten. Eine Gruppe mit 8803 Probanden erhielt einmal wöchentlich 2,4 Milligramm Semaglutid, die andere mit 8801 Probanden ein Placebopräparat. Nach rund 39,8 Monaten hatte die erste Gruppe im Schnitt neun Prozent Körpergewicht verloren. Bei diesen Probanden war zudem das Risiko, einen nicht tödlichen Myokardinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden oder aufgrund eines kardiovaskulären Problems zu versterben, rund 20 Prozent geringer als in der zweiten Gruppe.

Laut Experten ist dieser Effekt auf die Kombination aus Gewichtsreduktion, verbesserten Entzündungs- und Cholesterinwerten sowie stabileren Blutzuckerwerten und dem verringerten Blutdruck zurückzuführen. Die positive Wirkung von Semaglutid oder anderen GLP-1-Rezeptor-Agonisten auf die Herzgesundheit konnte bereits zuvor in Studien mit Diabetikern gezeigt werden. Für den Wirkstoff Tirzepatid stehen solche Daten noch aus.

Blüher: Außerdem lässt sich die Lebensqualität der Betroffenen mit den Mitteln oftmals deutlich verbessern.

Würde man demnach langfristig das Gesundheitssystem entlasten, wenn die Medikamente von den Kassen erstattet werden würden?

Blüher: Ich denke ja, aber ehrlicherweise fehlen uns die Daten, um diese Frage beantworten zu können.

Was weiß man über die Nebenwirkungen, auch die langfristigen?

Tschöp: Die Wirkstoffe sind schon von Zigtausenden über etliche Jahre zur Behandlung von Diabetes eingenommen worden, und es sind keine schweren Nebenwirkungen aufgetreten. Und die leichten anfänglichen Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen und Verstopfung gehen in der Regel wieder weg.

Blüher: In Einzelfällen können die Nebenwirkungen allerdings sehr heftig sein. Manche Menschen werden die Medikamente daher nicht nehmen können. Es gibt zudem Kontraindikationen wie eine bestimmte Art von Schilddrüsenkrebs oder die Neigung zu Bauchspeicheldrüsenentzündungen.

Sehen Sie die Gefahr, dass auch normalgewichtige oder nur leicht übergewichtige Menschen die Mittel zum Abnehmen nutzen werden?

Blüher: Ich denke, das passiert bereits. Wenn man so in den sozialen Medien schaut, wird unter Promis schon offen darüber geredet, wer alles Wegovy nimmt. Aus medizinischer Sicht ist das allerdings gefährlich. Es wurde nicht untersucht, wie es bei vergleichsweise gesunden Menschen wirkt und welche Nebenwirkungen es bei dieser Gruppe haben kann.

»Nach 48 Wochen sieht man bei Patienten und Patientinnen einen Gewichtsverlust von 24 Prozent«Matthias Tschöp, Neuroendokrinologe und Adipositasexperte

Tschöp: In Studien hat sich gezeigt, dass die Medikamente umso besser wirken, je höher das Körpergewicht ist. Generell sind die Medikamente wie Wegovy also keine Lifestyle-Droge, mit denen man schlank bleiben kann. Spannend wird sein, wie sich die Medikamente, die den Heißhunger zwischendurch abstellen, auf die Nahrungsmittelindustrie auswirken. Es wird gemunkelt, dass es deshalb bei dem ein oder anderen Konzern schon Krisensitzungen gibt. Und es sind noch wirksamere Medikamente in der Pipeline.

Sie sind ja auch daran beteiligt, diese zu entwickeln. Wie weit sind Sie damit?

Tschöp: Das Diabetesmedikament Mounjaro setzt bei zwei Hormonsignalen an und ist zwar in der EU schon zugelassen, steht aber noch nicht auf dem europäischen Markt zur Verfügung. Wir haben auch Wirkstoffe entwickelt, die an drei Signalen ansetzen, so genannte Triple-Agonisten. Diese sind in Phase-III-Studien und werden voraussichtlich so in zwei bis drei Jahren auf den Markt kommen. Am weitesten entwickelt ist Retatrutid vom Pharmakonzern Eli Lilly. Nach 48 Wochen sieht man bei Patienten und Patientinnen einen Gewichtsverlust von 24 Prozent. Das ist mehr, als Wegovy nach 1,5 Jahren erreicht. Damit wäre es das bislang wirksamste Adipositasmedikament.

Woran forschen Sie nun, jetzt, da es solche wirksamen Medikamente gegen Adipositas gibt?

Tschöp: Es geht immer weiter. Drei Dinge beschäftigen uns besonders: Wir wollen in Zukunft auch die Ursache der Erkrankung bekämpfen. Denn die behandelten Menschen sind im Moment weiterhin krank und müssen permanent Medikamente einnehmen, damit ihr Körpergewicht und ihre Blutzuckerwerte stabil bleiben. Zweitens: Wir versuchen, Erhaltungstherapien zu entwickeln, die mit weniger starken und teuren Medikamenten auskommen. Und schließlich: Wir möchten eine personalisierte Stoffwechselmedizin, denn nicht alle Menschen sind gleich. Da sehen wir viel Potenzial für maßgeschneiderte Medikamente. Uns geht die Arbeit also nicht aus.

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