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Technikgeschichte: Karl Drais - Das vergessene Genie

Das Zweirad galt lange als Kind vieler Väter und Nationen. Der Entwickler der badischen Laufmaschine rangierte in dieser Liste als Außenseiter. Ein Fehler, wie zeitgenössische Quellen zeigen.
Kupferstich eines Stabsmelders, der den militärischen Nutzen der Laufmaschine illustrieren sollte.

Das Zweiradprinzip markiert den Beginn des mecha­nisierten Individualverkehrs. Ein Vorbild in der Natur gab es dafür nicht – das Pferd als bis dahin wichtigs­tes Medium persönlicher Mobilität bewegt sich auf ganz andere Art vorwärts. Die oft unterschätzte Basisinnovation versetzte die Menschen in einen neuen Erfahrungsraum: das labile Gleichgewicht auf zwei Rädern hintereinander, das ständig aufrechterhalten werden musste. Heutzutage gehört diese Art von Fahrzeug zu unserem Alltag, und es mag uns deshalb zunächst nicht in den Sinn kommen, doch in dieser steten Balance kommt man dem Fliegen nahe. Mit seiner Erfindung rangiert Karl Drais (1785–1851) daher auf Augenhöhe mit Pionieren der Luftfahrt.

Um die neue Fertigkeit auf breiter Basis zu erlernen, brauchte die Menschheit dann 50 Jahre, fast ebenso lang, wie die Entwicklung von Ottos Lilienthals Gleitflugzeug bis zu den Hanggleitern der Nachkriegszeit in Anspruch nahm. Das Fahrrad diente zudem als Testplattform für Entwicklungen zur Fahrphysik. Amerikanische Forscher wie der Automobilhistoriker James J. Flink, Emeritus der University of California in Irvine, verstehen das Automobil daher als Erben des Fahrrads: "Keine vorherige technische Innovation – nicht einmal der Verbrennungsmotor – war für die Entwicklung des Automobils so wichtig wie das Fahrrad." Und dass die Brüder Wilbur und Orville Wright (1867–1912 beziehungsweise 1871–1948) im Hauptberuf zunächst Zweiräder fertigten, ist ein Indiz für die Bedeutung dieser Technologie für die frühe Luftfahrt.

Daher ist es eigentlich unverständlich, warum Drais bis vor wenigen Jahren nicht im Erfinder-Olymp gesehen, sondern häufig geradezu abfällig beurteilt wurde. Er sei "kauzig" gewesen, habe das Wenige bis zum "ersten richtigen" Fahrrad zu erfinden versäumt und sein Fahrzeug einer widerstrebenden Mitwelt förmlich aufnötigen müssen. Überhaupt habe er gar nicht das Zweirad, sondern nur die Lenkung dafür erfunden. Bei dieser Sachlage leistete die International Cycling-History Conference, die seit einem Vierteljahrhundert jährlich in einem anderen Land tagt, ganze Arbeit: Zunächst entlarvte sie den Prioritätsschwindel der anderen Zweiradnationen, dann stellte sie die innerhalb der Technikgeschichte vernachlässigte Fahrradgeschichte auf die Basis neuer Quellenforschung. Seither gilt Karl Drais unbestritten als Urheber dieser Innovation ...

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  • Quellen

Hadland, T., Lessing, H.-E.: Bicycle Design: An Illustrated History. The MIT Press, Cambridge 2014

Technoseum (Hg.): 2 Räder – 200 Jahre. Freiherr von Drais und die Geschichte des Fahrrads. Theiss, Stuttgart 2016

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