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Echoortung: Ohren zum Sehen

Blinde orientieren sich über das Echo von Klickgeräuschen.
Blinder mit Blindenstock
Delfine und Fledermäuse sehen bekanntlich mit den Ohren: Sie senden Laute aus und erkennen am Echo, wo sich in der Umgebung ein Objekt befindet und wie weit es entfernt ist. Es gibt tatsächlich aber auch blinde Menschen, die sich mit dieser Methode in ihrer Umgebung orientieren können. Wie sie dieses Kunststück bewältigen, haben sich nun Psychologen um Melvyn Goodale von der University of Western Ontario im kanadischen London näher angeschaut.

Die Forscher untersuchten zwei blinde Personen, die sich in besonders herausfordernden Situationen mittels Echolot zurechtfinden – beispielsweise beim Wandern, Fahrradfahren oder Basketballspielen. Dabei schnalzen sie mit ihrer Zunge und erkennen anhand des zurückgeworfenen Echos dieser Klickgeräusche, wie die nähere Umgebung beschaffen ist.

Diese Schallwellen zeichneten die Wissenschaftler mit kleinen Mikrofonen im Ohr der beiden Blinden auf. Anschließend spielten sie ihnen die Echos vor und maßen dabei gleichzeitig mittels funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT) die Hirnaktivität.

Die Probanden konnten im Labor eine 1,50 Meter entfernte Stange exakt orten. Auch durch bewegte Objekte ließen sie sich nicht irritieren. Im Freien vermochten sie sogar, die Form eines Autos oder eines Baums zu beschreiben und wussten genau, welches Objekt gerade vor ihnen stand.

Auch im fMRT-Scanner liegend konnten die Blinden anhand der aufgezeichneten Echos Gegenstände identifizieren. Wie zu erwarten, regte sich dabei der auditorische Kortex des Gehirns. Als die Forscher jedoch die Klicklaute aus dem normalem Umgebungslärm herausfilterten, zeigte sich überraschenderweise kein Unterschied im Aktivitätsniveau der Hörrinde.

Anders verhielt sich dagegen der visuelle Kortex – also jener Bereich, der bei Sehenden visuelle Eindrücke verarbeitet: Sobald die Probanden Echos hörten, meldete sich ihre Sehrinde. Die Forscher wissen allerdings nicht, ob diese Aktivität wirklich allein auf die Echoortung zurückzuführen ist oder auf die Tatsache, dass blinde Personen ihren visuellen Kortex auch für andere Sinne einsetzen.

"Echoortung ermöglicht Blinden, Dinge zu tun, die bislang nur Sehenden zugetraut wurden", betont dennoch Goodale. Durch diese erstaunliche Fähigkeit könnten die Betroffenen ihren Alltag wesentlich unabhängiger meistern. (ls)

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