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Verhaltensbiologie: Schokolade zum Frühstück

Was haben Bridget Jones und Laborratten gemeinsam? Sie lieben Süßes - und futtern davon mehr, als gut für sie wäre.
Schokophile Laborratte
Ratten sind die Schmuddelkinder unter den Nagern. Sie begnügen sich mit verfaulten Essensresten aus den Mülltonnen schummrig beleuchteter Hinterhöfe, nagen an alten Brotstücken und zehren von weggeworfenen Wurstzipfeln – eben all dem, was sich so finden lässt. Hauptsache irgendwas zwischen die Beißer. Kein Wunder also, dass sich die Allerwelts-Ratte bislang nicht zum Feinschmecker entwickeln konnte. Dabei wären Ratten durchaus wählerisch – wenn sie nur die Möglichkeit hätten!

Doch zum Glück gibt es die Wissenschaft. Ihr verdanken die Ratten hin und wieder nahezu paradiesische Lebensbedingungen: Sie dürfen sich in komplizierten Labyrinthen austoben, bekommen Futter für spannende Ratespiele und Drogen gegen frühzeitiges Altern.

Laborratte | Diese Maus hat es gut getroffen: Sie darf sich ihr Futter selbst aussuchen.
Auch die Laborratten von Maria Barbano und ihrer Kollegin Martine Cador von der französischen Universität Victór Segalen [1] haben es gut getroffen: Sie kriegen Schokolade zum Frühstück – und das zum Wohle der Menschheit.

Die beiden Wissenschaftlerinnen waren sogar so nett zu ihren Versuchstieren, dass sie diese vorher fragten, welche Speise ihnen am ehesten zusagt: leckere Cornflakes, zarte Schokoladen-Frühstückscerealien – oder öder Laborfraß. Erst wurden die Nager zu mehreren Probier-Dinnern eingeladen. Dann durften die sechzehn Tiere zwischen den Gerichten wählen.

Ein bisschen gemein waren die Versuchsleiter dann doch: Die Hälfte der Nager wurde vor dem Wahlfrühstück auf Diät gesetzt. So wollten die Forscherinnen feststellen, ob darbende Ratten andere Präferenzen haben als wohlgenährte. Denn wie schon Heinrich Heine wusste: "Es gibt zwei Sorten von Ratten: Die hungrigen und die satten."

Laborfutter oder Schokoladen-Frühstück? | Auf den ersten Blick scheint die Wahl der Ratten gerechtfertigt. Die Schokoladen-Pops sehen etwas appettitlicher aus als das schnöde Laborfutter für Nager.
Bei Schokolade hingegen scheint es zwischen beiden Rattensorten keine großen Unterschiede geben: Sie lieben sie. Egal ob satt oder hungrig – sahen die Nager Schokoladenflocken, war es um sie geschehen. Hatten sie die Süßspeise vor sich stehen, langten die Tiere besonders schnell zu. Für das langweilige Laborfutter ließen sie sich hingegen deutlich mehr Zeit – sogar wenn sie hungrig waren. Auch wanderte bedeutend mehr Schokoladenfrühstück in die Rattenmägen als der übliche Rattenfraß. Gerade die ausgehungerten Nager zeigten eine Vorliebe für die kakaohaltige Mahlzeit.

Derart auf den Geschmack gebracht, folgte nun der sportliche Teil des Experiments: Wie schnell laufen die hungrigen und satten Ratten, um an eine Futterschüssel am anderen Ende eines Laufbandes zu kommen – wahlweise mit dem wenig beliebten Laborfutter oder aber der Schokomahlzeit gefüllt?

Aufs Laufband gesetzt, flitzten die hungrigen Nager in nur wenigen Sekunden zum ersehnten Futtertrog, die wohlgenährten Ratten ließen sich hingegen bis zu 50 Sekunden Zeit – solange es nur Laborfutter gab. Erblickten die satten Tiere jedoch die Schokoladen-Flocken, nahmen auch sie ihre Beine in die Hand: Nach weniger als zehn Sekunden hatten sie ihr Maul im Futtertrog vertieft – und kamen nur minimal später bei der Speise an als ihre hungrigen Artgenossen.

Letztlich fraßen die wohlgenährten Ratten bei den Experimenten von Barbano und Cador genauso viel Schoko-Frühstück wie ihre ausgehungerten Nagerkollegen – Ratten, so scheint es, lieben eben Schokolade.

Laborratte mit Schokoladenkeks | Diese Ratte kann nicht genug bekommen. Schokoladenkekse mit Michcremefüllung bekommt man ja auch nicht alle Tage.
Sie mögen sie sogar so sehr, dass sie sich richtiggehend daran überfressen können. Das entdeckte Mary Boggiano mit ihrem Team von der Universität Alabama in Birmingham [2]. Sie fand heraus, dass Ratten, die auf Diät gesetzt worden waren und zusätzlich Stress hatten, doppelt so viele mit Milchcreme gefüllte Schokokekse futtern wie normale Ratten.

Doch was genau bewegt die Ratten dazu, mehr von ihrer Lieblingsspeise zu futtern, als gut für sie ist? Ursache könnte die Arbeitsweise der Opiat-Rezeptoren sein, vermuteten die Forscher. Und tatsächlich: Blockierten die Wissenschaftler diese Rezeptoren, nahm der Heißhunger der Ratten ab. Ganz anders, wenn sie stimuliert wurden. Dann fraßen die Nager sogar noch mehr. Diese Mechanismen funktionierten allerdings nur bei den Vielfressern. Bei Ratten ohne Stress-Erfahrungen oder Diät-Geschichte passierte nichts.

Fressverhalten von fresssüchtigen Nagern und Kontrollgruppen | Haben Ratten Stress- und Diät-Erfahrung, fressen sie doppelt so viele Schokoladenkekse wie ihre Artgenossen mit weniger negativen Erlebnissen.
Die verfressenen Ratten, so schließen die Forscher, erlitten auf Grund ihrer negativen Erfahrungen einen Mangel an lustvollen Erfahrungen. Ihre Opiat-Rezeptoren waren sozusagen arbeitslos – bis sie das Glück fanden: in einer großen Portion Schokoladenkeksen.

Und was lernen wir nun aus der Schokoladen-Abhängigkeit der Laborratten? Nicht das Überfressen ist das Problem. Denn laut Boggiano ist es die beste Methode unseres Gehirns, auf erwartete Entkräftung zu reagieren. "Unnormal sind nur restriktive Diäten und der viele Stress wegen unseres Körpergewichtes und der Figur", so die Forscherin.

Also aufgepasst: Wer unbedingt abnehmen möchte, sollte sich während seiner Diäten nicht stressen lassen – sonst sind die Pfunde schneller wieder drauf als man "Schokoladenkekse" sagen kann.

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