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Tinnitus: Wege zur Stille

Millionen Menschen hören Töne, die es nicht gibt: Der Tinnitus ist ihr ständiger Begleiter. Die Wurzel des Übels liegt jedoch nicht im Gehör, sondern im Gehirn! Abhilfe erhoffen sich Mediziner wie Tobias Kleinjung und Berthold Langguth am Regensburger Tinnituszentrum von starken Magnetfeldern und gezielter Beschallung.
Gut gegen Ohrgeräusche?
"Die größte Qual bereitet mir das fast ununterbrochene Getöse im Inneren, das mir im Kopf braust und sich bisweilen zu einem stürmischen Gerassel steigert. Dieses Dröhnen durchdringt ein Gekreisch von Stimmen, das mit einem falschen Zischen beginnt und bis zu einem furchtbaren Gekreisch ­ansteigt, als ob Furien und alle bösen Geister auf mich losfahren würden." So schilderte der ­böhmische Komponist Bedrich Smetana (1824-1884) sein Leiden: Tinnitus. In dem Streichquartett "Aus meinem Leben" hat er es sogar musikalisch umgesetzt: Im Finale ertönt über mehrere Takte ein schrilles, viergestrichenes hohes E von der ersten Geige über einem düsteren Tremolo.
So wie einst Smetana leiden heute etwa drei Millionen Menschen in Deutschland an den unerklärlichen Ohrgeräuschen. Sie hören ein Pfeifen, Brummen, Zischen, Rauschen oder Klopfen – ohne äußere Schallquelle. So manches Tinnitusopfer hat wegen des neu auftretenden Geräuschs zunächst den Heizungsmonteur oder Fernsehtechniker gerufen, um die vermeintliche Lärmquelle abstellen zu lassen.
Bei einigen Patienten verschwindet der Tinnitus spontan, andere gewöhnen sich daran und fühlen sich durch das ständige Geräusch nur wenig beeinträchtigt. Aber bei etwa jedem vierten Betroffenen sinkt die Lebensqualität rapide. Häufig kommen Schlafstörungen, Angstzustände oder Depressionen hinzu. Berufliche Probleme bis hin zur Arbeitsunfähigkeit können die Folge sein. Nicht selten fühlen sich stark belastete Patienten auch von Freunden und Familienmitgliedern unverstanden und ziehen sich mehr und mehr zurück.
Heilen lässt sich Tinnitus bislang nicht. Doch die neurowissenschaftliche Forschung konnte inzwischen die Ursachen für die Störgeräusche weit gehend aufklären und gibt so der Sehnsucht vieler Betroffener nach Linderung neuen Auftrieb ...

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  • Quellen
Kleinjung, T. et al.: Transcranial Magnetic Stimulation (TMS) for Treatment of Chronic Tinnitus: Clinical Effects. In: Progress in Brain Research 166, S. 359-367, 2007

Kleinjung, T. et al.: Transcranial Magnetic Stimulation: A New Diagnostic and Therapeutic Tool for Tinnitus Patients. In: International Tinnitus Journal 14, S. 112-118, 2008

Langguth, B. et al.: Does Repetitive Transcranial Magnetic Stimulation/Transcranial Direct Current Stimulation Show Efficacy in Treating Tinnitus Patients? In: Brain Stimulation 1, S. 192-205, 2008

Lanting, C. P. et al.: Neural Activity Underlying Tinnitus Generation: Results from PET and fMRI. In: Hearing Research 255, S. 1-13, 2009

Okamoto, H. et al.: Listening to Tailor-Made Notched Music Reduces Tinnitus Loudness and Tinnitus-Related Auditory Cortex Activity. In: Proceedings of the National Academy of Sciences 107, S. 1207-1210, 2010

Schlee, W. et al.: Mapping Cortical Hubs in Tinnitus. In: BMC Biology 7:80, 2009

Suckfuell, M. et al.: Neramexane in Subjective Tinnitus. In: Otolaryngology - Head and Neck Surgery 141, Supplement 1, S. P87, 2009

Tass, P. A. et al.: Langanhaltende Milderung des Tinnitus durch akustische Coordinated-Reset (CR) Stimulation: Klinische Studie zur Behandlung des chronischen Tinnitus mittels CR-Stimulation. 81. Jahresversammlung der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e.V., Wiesbaden 12.-16.5.2010

Van de Heyning, P. et al.: Incapacitating Unilateral Tinnitus in Single-Sided Deafness Treated by Cochlear Implantation. In: Annals of Otology Rhinology & Laryngology 117, S. 645-652, 2008
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