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Psychische Störungen: Messie-Syndrom

Was ist das Messie-Syndrom und wie entsteht es? Was sind die Folgen? Informationen für Betroffene und Angehörige.
Messie-Syndrom

Was ist das Messie-Syndrom?

Der Begriff steht umgangssprachlich für eine Störung, die Wissenschaftler als "zwanghaftes Horten" bezeichnen. Die Betroffenen sammeln Dinge, die ihre Mitmenschen als wertlos oder überflüssig ansehen, und können sich nicht davon trennen. Daher versinken sie im Chaos – bei manchen werden weite Teile der eigenen Wohnung sogar unbegehbar. Objekte der Sammelleidenschaft sind oft Papiere wie Zeitungen, Werbepost und alte Unterlagen, aber auch Geschirr, Kleidung und kaputte Elektrogeräte – Dinge, denen die Betroffenen einen potenziellen Nutzen oder persönlichen Wert beimessen. Aus Scham über ihre Unordnung lassen zwanghafte Horter meist niemanden mehr in ihre Wohnung und ziehen sich von anderen Menschen zurück.

Obwohl sich die Betroffenen oft selbst so bezeichnen, weckt der Begriff Messie bei den meisten Menschen falsche Vorstellungen. Nur eine kleine Minderheit der zwanghaften Horter sammelt Abfälle und Essensreste oder lebt zwischen Schmutz und Ungeziefer. Dieser Zustand, der auch Vermüllungssyndrom genannt wird, tritt eher im Rahmen anderer psychischer Störungen wie einer Demenz oder Schizophrenie auf. Solche Extremfälle prägen jedoch das Bild von Messies in den Medien.

Ob das Messie-Syndrom ein eigenständiges Krankheitsbild ist oder ob es eine Unterform der Zwangsstörung darstellt, ist umstritten. Bei manchen Zwangspatienten treten ähnliche Symptome auf: Sie sammeln zum Beispiel bizarre Gegenstände oder leiden unter der Vorstellung, dass etwas Schlimmes passieren könnte, wenn sie bestimmte Dinge wegwerfen.

Wie verbreitet ist das Messie-Syndrom, und wie verläuft es?

Mediziner schätzen, dass allein in Deutschland 300 000 Menschen daran leiden, es kursieren jedoch auch Zahlen von bis zu zwei Millionen Betroffenen. Zuverlässige Daten aus repräsentativen Stichproben gibt es nicht. Frauen scheinen etwas öfter zu horten als Männer – möglicherweise leiden diese aber auch nur weniger unter ihrem Chaos oder suchen seltener Hilfe.

Obwohl viele zwanghafte Horter erst im mittleren Alter deutlich von ihrem Leiden beeinträchtigt werden, besteht die Tendenz zum Sammeln und Horten meist schon seit der Jugend. Ohne Therapie nimmt die Schwere der Symptomatik mit dem Alter zu.

Wie entsteht das Messie-Syndrom?

Die Ursachen sind noch weit gehend ungeklärt. Forscher gehen davon aus, dass bei der Entstehung zumindest folgende Faktoren eine Rolle spielen:

Neurobiologie: Potenziell brauchbare Dinge zu sammeln, scheint ein sehr alter Instinkt zu sein, der dem Hypothalamus im Zwischenhirn entspringt. Normalerweise wird dieser Impuls vom präfrontalen Kortex im vorderen Stirnhirn gehemmt oder dem angepasst, was gesellschaftlich akzeptiert ist. Bei Messies arbeitet dieser Teil des Gehirns anders, wie Studien ergeben haben. Messies sind meist übersentimental in Bezug auf ihre Besitztümer: Was anderen wertlos erscheint, etwa eine alte Busfahrkarte, besitzt für sie oft große Bedeutung und wird als Teil der eigenen Geschichte und Persönlichkeit wahrgenommen.

Kognitive Defizite: Untersuchungen zeigen, dass sich zwanghafte Horter mit dem Planen, Organisieren und Entscheiden schwertun. Sie haben unter anderem Probleme damit, zwischen Gefühlen und rationalen Argumenten abzuwägen oder Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Zugleich fällt es ihnen schwer, verschiedene Dinge unter einem gemeinsamen Oberbegriff zusammenfassen (etwa Postwurfsendungen und Zeitungen vom Vormonat als Altpapier anzusehen).

Persönlichkeit: Außerdem sind Menschen, die zum zwanghaften Horten neigen, oft besonders perfektionistisch. Viele empfinden oberflächliches Aufräumen als falsch, stattdessen wollen sie einen kompletten Hausputz machen. Die Aufgabe erscheint jedoch zu groß und zeitraubend, als dass sie in Angriff genommen werden könnte.

Was sind die Folgen?

Horter schämen sich zwar für ihr Chaos, verteidigen ihre Sammelleidenschaft aber oft vehement gegen gutes Zureden von Freunden und Familie. Bezugspersonen zeigen deshalb wenig Mitleid mit krankhaften Sammlern und reagieren meist ablehnend. Um Anschuldigungen zu entgehen und sich nicht ständig rechtfertigen zu müssen, ziehen sich Messies immer weiter zurück, was ihre soziale Isolation verstärkt. Die Kinder der Betroffenen leiden darunter, im Chaos aufzuwachsen, so dass die Beziehung zum betreffenden Elternteil gestört ist.

Zwanghaftes Horten geht oft mit weiteren psychischen Leiden einher, vor allem Depressionen, Ängsten und Essstörungen.

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