Direkt zum Inhalt
Login erforderlich
Dieser Artikel ist Abonnenten mit Zugriffsrechten für diese Ausgabe frei zugänglich.

Noceboeffekt: Wer's glaubt, wird krank

Können negative Gedanken unseren Körper so beeinflussen, dass wir Schmerzen und andere Beschwerden erleiden? Und ob! Wer glaubt, etwas könne ihm schaden, dem geht es oft wirklich schlecht. Dahinter steckt der Noceboeffekt - und der beginnt im Kopf.
Lektüre mit Tücken

Ein 26-jähriger Student wird mit akuten Vergiftungssymptomen ins Krankenhaus ein­ge­­liefert. Er habe 29 Pillen des Antidepressivums geschluckt, das ihm im Rahmen einer klinischen Studie verschrieben worden sei. Weil sich überraschend seine Freundin von ihm getrennt hätte, habe er völlig verzweifelt die komplette Packung vertilgt. Überzeugt davon, sich selbst vergiftet zu haben, bricht der junge Mann namens Derek Adams zusammen. Sein Blutdruck sackt in den Keller, die Ärzte versuchen, ihn mit Infusionen zu stabilisieren – bis sie von benachrichtigten Kollegen erfahren, dass Adams nur wirkstofffreie Zuckerpillen geschluckt hat! Er war in besagter Studie der Placebogruppe zugeteilt worden, und wie es dabei üblich ist, wusste er nichts davon. Als man ihn darüber aufklärte, erholte sich der Patient binnen weniger Minuten und konnte wieder nach Hause gehen.
Die Geschichte von Derek Adams klingt unglaublich – ist aber wissenschaftlich belegt. Hinter der kuriosen Begebenheit, von der Mediziner der University of Mississippi 2007 berichteten, steckt ein in der klinischen Praxis nicht zu unterschätzendes Problem. Die Rede ist vom Noceboeffekt (lateinisch nocebo = ich werde schaden) – dem "bösen Zwillingsbruder" des Placeboeffekts. Während beim letzteren positive Erwartungen dazu führen, dass sich Krankheitssymptome bessern, wirkt der Noceboeffekt genau umgekehrt: Er lässt Schmerzen und andere unangenehme Symptome kraft der subjektiven Überzeugung des Betroffenen erst entstehen.
Der Noceboeffekt ist mittlerweile vielfach bestätigt worden und macht sich auf verschiedene Weisen bemerkbar ...

Kennen Sie schon …

Gehirn&Geist – Schmerz

»Schmerz« erklärt, wie Schmerz entsteht und was dagegen hilft. Aus dem Inhalt: Wahrnehmung - Was das Schmerzempfinden beeinflusst • Chronischer Schmerz - Das Leiden in den Griff bekommen mit multimodaler Behandlung • Medikamente - Vom Segen zum Fluch.

Gehirn&Geist – Farben sehen

»Farben sehen« zeigt, wie Farben auf uns wirken, unsere Psyche beeinflussen und die individuelle Farbwahrnehmung aussieht. Außerdem im Heft: Zwangsstörungen bei Kindern früh erkennen und behandeln; Machen Haustiere glücklich?; Wie das Gehirn die Körperabwehr steuert; Schmerz und Schmerzempfinden.

Spektrum Gesundheit – Akupunktur – Wann können Nadeln helfen?

Wenn nichts mehr hilft gegen die Schmerzen, soll Akupunktur es richten. Doch was ist bisher über die Wirksamkeit der feinen Nadeln bekannt? Und gibt es sie überhaupt, die richtige Haltung für einen gesunden Rücken? Mehr lesen Sie ab sofort in »Spektrum Gesundheit«.

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

  • Quellen

Amanzio, M. et al.: A Systematic Review of Adverse Events in Placebo Groups of Anti-Migraine Clinical Trials. In: Pain 146, S. 261-269, 2009

Benedetti, F. et al.: When Words are Painful: Unraveling the Mechanisms of the Nocebo Effect. In: Neuroscience 147, S. 260-271, 2007

Benedetti, F. et al.: The Biochemical and Neuroendocrine Bases of the Hyperalgesic Nocebo Effect. In: Journal of Neuroscience 26, S. 12014-12022, 2006

Bingel, U. et al.: The Effect of Treatment Expectation in Drug Efficacy: Imaging the Analgesic Benefit of the Opioid Remifentanil. In: Science Transnational Medicine 3, 70ra14, 2011

Colloca, L. et al.: How the Number of Learning Trials affects Placebo and Nocebo Responses. In: Pain 151, S. 430-439, 2010

Colloca, L., Miller, F.: The Nocebo Effect and Its Relevance for Clinical Practice. In: Psychosomatic Medicine 73, S. 598-603, 2011

Colloca, L., Finniss, D.: Nocebo Effects, Patient-Clinician Communication, and Therapeutic Outcomes. In: Journal of the American Medical Association 307, S. 567-568, 2012

Kong, J. et al.: A Functional Magnetic Resonance Imaging Study on the Neural Mechanisms of Hyperalgesic Nocebo Effect. In: The Journal of Neuroscience 28, S. 13345-13362, 2008

van Laarhoven, A. I. M. et al.: Induction of Nocebo and Placebo Effects on Itch and Pain by Verbal Suggestions. In: Pain 152, S. 1486-1494, 2011

Reeves, R. R. et al.: Nocebo Effects with Antidepressant Clinical Drug Trial Placebos. In: General Hospital Psychiatry 29, S. 275-277, 2007

Rief, W. et al.: Differences in Adverse Effect Reporting in Placebo Groups in SSRI and Tricyclic Antidepressant Trials: A Systematic Review and Meta-Analysis. In: Drug Safety 32, S. 1041-1056, 2009

Silvestri, A. et al.: Report of Erectile Dysfunction after Therapy with Beta-Blockers Is Related to Patient Knowledge of Side Effects and Is Reversed by Placebo. In: European Heart Journal 24, S. 1928-1932, 2003

Wells, R. E., Kaptchuk, T. J.: To Tell the Truth, the Whole Truth, May Do Patients Harm: The Problem of Nocebo Effect for Informed Consent. In: The American Journal of Bioethics 12, S. 22-29, 2012

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.