Direkt zum Inhalt

Kommentare - - Seite 1

Ihre Beiträge sind uns willkommen! Schreiben Sie uns Ihre Fragen und Anregungen, Ihre Kritik oder Zustimmung. Wir veröffentlichen hier laufend Ihre aktuellen Zuschriften.
  • Der Krieger

    09.02.2014, Carina
    Ich habe mich sehr lange mit einem Menschen auseinandergesetzt, welcher die Last der Borderline-Diagnose mit sich trägt und die oben genannten Verhaltensweisen 1 zu 1 auf sich übertragen könnte. Ich habe sehr analytisch und rational schnell bemerkt, dass logisches Erfassen der vielen Eskalationen nicht möglich ist und sich die Persönlichkeit dieses Menschen hauptsächlich auf Emotionen aufbaut, ganz gleich ob gerechtfertig oder nicht. "Mein Borderliner" schwankt zwischen Selbstzweifeln und Selbsthass, bezieht alles auf sich selbst, und gleichzeitig ist er in der Lage, alle Schuld bei anderen zu suchen. Und obwohl sie durchaus in der Lage sind, Mitgefühl zu empfinden, nein, nennen wir es Mitleid, denn das Leid anderer saugen sie auf, als wäre es ihr Eigenes, würde ich sie als Egoisten bezeichnen, weil sie nicht in der Lage sind, sich selbst und ihre Emotionen zurückzustellen und sind nicht mehr in der Verfassung auf die Gefühle des Gegenübers einzugehen, weil sie diese nun selbst empfinden und eigenen Trost brauchen. Ich neige in solchen Momenten dazu, dem Geschehen ganz vorwurfslos nachzugeben und meinen "Borderline-Krieger" diesen Kampf gewinnen zu lassen, welches jedoch nur für einen kurzen Moment zur erleichtertem in-die-Arme-fallen führt, da schnell ein, ich nenne ihn "Lichter Moment", folgt, indem von selbst oft die Erkenntnis kommt, dass sie sich erneut in ihren Gefühlen verloren haben, ohne Rücksicht zu nehmen, was Selbstzerstörung und Selbsthass mit sich führt und sich so das Emotionskarussell unaufhörlich weiterdreht.
    Ein kürzlich entstandenes Dialog-Beispiel gibt, wie ich finde, einen sehr guten Einblick in die Psyche dieser Persönlichkeit.
    Ich: Die Frau meines Bruders ist soeben verstorben (unerwarteter, plötzlicher Tod), ich fahre jetzt zu ihm ins Krankenhaus.
    Krieger: Das tut mir leid. Wenn ich etwas tun kann, ich zu dir kommen soll, sag Bescheid.
    Ich: Ich danke dir sehr dafür. Ich bin gerade einfach sprachlos, man kann sich nicht vorstellen, wie sich das nun für ihn anfühlen mag. Ich werde heute bei ihm bleiben, aber ich denke an dich und liebe dich. Danke, dass du für mich da sein willst.
    Krieger: Ja, tu nur so, als wär das so schlimm, dass die tot ist, was bist du eigentlich für ein scheiß egoistischer Mensch, denkst nur daran, wie es dir geht. Was ist mit mir? Glaubst du im ernst, dem geht's schlechter als mir? Ich frag dich nie wieder, ob ich für dich da sein soll, du interessierst dich eh nur für dich selbst. Wenn ich nur für 10 Minuten gekommen wär, aber nein, du willst ja im Selbstmitleid schwimmen.

    Ich glaube, dass dieser Dialog für sich selbst spricht und logisch betrachtet auf den Fakten dieser Unterhaltung beruhend eine sehr verzerrte Wahrnehmung des Kriegers darstellen. Wenn man es allerdings emotional betrachtet und meinen Text auf sich selbst bezieht, versteht man in etwa, was diese Persönlichkeit in diesem Moment empfindet. Der Krieger fühlt: "Der Bruder ist wichtiger als ich, sie will mich nicht sehen und lieber Zeit mit ihrem Bruder verbringen. Bestimmt liebt sie den Bruder mehr als mich ... Das Karussell dreht sich.
    Es sei noch hinzugefügt, dass mein Krieger spürt, sobald ich eine Sekunde nichts empfinde, keine Liebe, weil ich gerade Kartoffeln schäle und auf die Kartoffel konzentriert bin. Kein Wunder, dass er sich nun denkt, die Kartoffel und der Haushalt wären wichtiger als er. Jegliche Versuche zu erklären, dass ich, auch wenn ich gerade an die Kartoffel denke, ihn trotzdem sehr liebe, kommen in diesen Momenten nicht mehr an.
    Ich versuche immer, liebevolle einsichtige Momente zu schaffen, die Wiedersprüche gemeinsam zu entschlüsseln und darüber zu lachen, aber ich zittere, sobald der Trockner piept, weil mein Krieger sich in der Zeit, während ich im Keller die Wäsche mache, einsam und allein gelassen fühlt, ungeliebt, als wäre er nicht mehr wichtig.

    Für meinen Krieger gibt es nur schwarzweiß. Man liebt ihn oder man tut es nicht. Dass man gerade nur müde oder zu erschöpft ist, um ihm eine Stunde lang seine Liebe zu beweisen, weil man bereits bis 8 Uhr morgens gestritten und Versöhnungssex hatte, zählt nicht. Es spielt auch keine Rolle, ob die Frau des Bruders gerade verstorben ist, es zählt nur, dass ich deswegen gerade nicht bei ihm bin. Und wenn ich nicht bei ihm bin, muss das heißen, dass ich ihn nicht liebe. Und vorsorglich liebt er mich heute einfach zuerst nicht.

    Und so wird sich dieser Kreislauf des Kriegers unentwegt weiterdrehen, da er der Meinung ist, dass ich und jeder andere Mensch schuld ist, und nur seine Gefühle sind die richtigen. Und die Menschen da draußen sind schlecht, weil sie solch sensible Geschöpfe nicht verstehen und denken, dass der Krieger immer alles falsch macht. Ohne aktives Bewusstsein, die Gabe zu reflektieren und das eigene Verhalten und die Emotionen zu analysieren ist eine Heilung meiner Meinung nach ausgeschlossen.
    Manchmal wirken Medikamente tatsächlich aber Wunder, denn wenn die überschwänglichen Emotionen erst einmal etwas abmildern (was der Krieger natürlich nicht will, weil seine Gefühle seine komplette Identität sind), wäre man durchaus in der Lage, ausgeruht und ohne wütenden Sturm über sich selbst nachzudenken. Und vielleicht eine neue Identität außerhalb dieser physischen uns psychischen Krankheit zu finden.

    Danke fürs Lesen.
Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.