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Kommentare - - Seite 126

Ihre Beiträge sind uns willkommen! Schreiben Sie uns Ihre Fragen und Anregungen, Ihre Kritik oder Zustimmung. Wir veröffentlichen hier laufend Ihre aktuellen Zuschriften.
  • Direkte Demokratie

    30.08.2010, Peter Flubacher, Affoltern a.A., Schweiz
    Ein guter Beleg für diesen Artikel findet sich im Erfolgsmodell der direkten Demokratie der Schweiz. Wir haben die gleich schlechten, durch Lobby und Korruption gesteuerten Politiker wie überall auf der Welt. Aber bereits die Angst vor dem Volksentscheid führt zu besseren Entscheidungen der Politiker, erst recht aber der Volksentscheid selber, auch wenn nicht alle fünf Bedingungen perfekt erfüllt sind.
  • Die Skespsis ist mehr als angebracht

    24.08.2010, H. Krimm
    Ich hatte vor ca. drei Jahren im großen Saal eine Großveranstaltung von Thorsten Havener mit 40 Euro Eintritt besucht. Seine "Hellseh-Leistungen" beruhten m.E. auf viel Technik wie Videos, Ablenkung, Lichteffekten, Widerspruchsverwirrtexten usw. und oft/anfangs präparierter so genannter Freiwilliger, meist jungen Frauen.
    Das Präparierte merkte man auch psychologisch an ihnen.
    Das Video, das er vom so genannten Blindfahren mit Auto und mit quasi aufgeregter Beifahrerin zeigte, war mir unglaubhaft, da außen am Auto große Sensorenvideos installiert waren. Doch die Zuschauerinnen jubelten jeweils, machten am Ende Standing Ovations.
    Ich wies sitzend meine Nachbarin vergebens darauf hin, dass es so viele Präparationen waren. Mundus vult decipi ...
    Die Einnahmen waren bei ca. 2000 unkritischen Menschen entsprechend.
  • Psychotherapie gehört auf den Prüfstand

    23.08.2010, Matthias Rath
    So einseitig der Leserbrief von Frau Rebbam sich positioniert; nicht zuletzt auch kritikwürdig deshalb, weil natürlich niemand, der Psychotherapie benötigt, eine machen wird. Erst wenn ich mir ein Bein gebrochen habe, begebe ich mich in medizinische Behandlung. Bleibt zu hoffen, dass von Frau Rebbam befragte Kommilitonen in ihrer langen Zukunft keine Erlebnisse machen werden, nach denen sie dann doch eine Psychotherapie brauchen.

    Andererseits macht Frau Rebbams Leserbrief auf eine wichtige Thematik aufmerksam. Psychoanalytische Therapie ist durch die Ergebnisse gerade der bildgebenden Verfahren der Hirnforschung, was ihre Effektivität angeht, zu Recht auf dem Prüfstand und muss mehr den je hinterfragt werden. Freilich haben wir damit noch Jahrzehnte vor uns, denn kaum jemand, der sein ganzes Leben lang psychoanalytisch nach Freud gearbeitet (oder ausgebildet) hat, wird sich plötzlich ändern können und wollen und sich anderweitig weiterbilden. Hirnbiologisch müsste man sagen, dass seine neuronalen Netzwerke bezogen auf Psychoanalyse autobahndick so verschaltet sind, dass es viel Aufwand benötigen würde, dort neue, z.B. ressourcenorientierte Behandlungsbahnen - und Möglichkeiten - einflechten zu können.

    Gerade die hirnbiologische Forschung hat hier gezeigt, dass das Sprechen über Probleme diese nur bedingt lösen kann, da die damit verbundenen Vernetzungen im Gehirn noch verstärkt werden und nur durch Zufallstreffer neue entstehen können, auf die der Patient zurückgreifen kann. Und: Analysen fallen darüber hinaus nahezu bei jedem Analytiker verschieden aus.

    Zum Gesundheitssystem: Es sollte offen diskutiert werden, dass viele Psychotherapeuten froh darüber sind, wenn Patienten lange zu ihnen in die Praxis kommen - das sichert die Existenz. Leider auf dem Rücken der Patienten, denn sie müssen dafür herhalten, lange dafür Therapie machen zu müssen, um auf Heilung oder Verbesserung ihrer Situation hoffen zu können. Auf Fortbildungen von und mit Psychotherapeuten wird dies offen diskutiert(!).

    Politisch zeigt sich die Landschaft der gesetzlichen Krankenkassen äußerst schmal, und nur Psychoanalyse, Verhaltenstherapie und tiefenpsychologische Verfahren werden bezahlt. Gerade die Psychoanalyse gilt bis heute als so genannte Pseudowissenschaft - wie viele andere Methoden auch, welche jedoch nicht finanziert werden, auch wenn mitunter schneller und anhaltende Ergebnisse erzielt werden können.

    Angebracht und zeitgemäß wäre es, die methodische Handlungsbreite zu erweitern, um Patienten je nach Problemlage und Ziel so effektiv und schnell helfen zu können wie möglich. Das ist unter den gegebenen Voraussetzungen nicht gewährleistet. Klaus Grawe, ein anerkannter Forscher auf diesem Gebiet hat außerdem festgestellt, dass es ohnehin nahezu irrelevant ist, welche Methoden durchgeführt werden - die Beziehung zum Patienten ist der entscheidende Faktor. Immer wieder erlebe ich jedoch, dass nur sehr wenige Therapeuten darin geschult sind, um erfolgreiche Therapie durchführen zu können und einen vertrauensvollen, "guten Draht" wirklich herstellen zu können. Hier wird oft im Dunkeln getappt und falls dieser Aufbau einer tragfähigen Beziehung nicht gelingt, wird dann davon gesprochen, der "Patient sei im Widerstand".

    Sicher - wem eine psychoanalytische Therapie hilft, der soll sie bekommen. Aber ob z.B. Zwänge oder Panikattacken mit Psychoanalyse geheilt werden können, stelle ich kritisch zur Diskussion. Zu oft erfahre ich, dass Patienten mir mitteilen, dass sie "nun schon zwei Jahre Psychotherapie machen, aber ohne Erfolg" - und leider die Krankenkasse keine weitere Therapie bezahlt. Der Therapeut wird sich in den zwei Jahren gefreut haben.
  • Zum Leserbrief von Frau Rebbam

    18.08.2010, Ingo-Wolf Kittel
    Die Bonner Studentin der Politikwissenschaften mit Schwerpunkt Gesundheitspolitik Stefani Rebbam ist dem Denken des "schillernden Literaten" Sigmund Freud näher als sie offenbar weiß.

    Auch Interesse und Hoffnung bereits des Medizinstudenten und Arztes, der Freud in Wirklichkeit war, galt schon der Hirnforschung; für Neuropathologie war er sogar habilitiert, wie in dem Wikipedia-Eintrag zu seiner Person jederzeit nachgelesen werden kann. Er scheint es selbst auch durchaus bedauert zu haben, dass er in der Praxis nicht mit den Hirnen seiner Patienten arbeiten konnte, sondern sich leider mit diesen selbst abgeben und mit ihren Selbstbeschreibungen abmühen musste.

    Er hat allerdings auch dabei sein naturwissenschaftlich geübtes Denken beibehalten und dessen Grundnormen entsprechend gearbeitet, indem er fassbare psychische Einzelleistungen seiner Patienten, überwiegend Frauen, so genau wie (ihm*) möglich beschrieb und sie des Weiteren auf ihre hypothetischen oder tatsächlichen Zusammenhänge hin analysierte - in einem Verfahren, dass dann als "psychoanalytisches" Vorgehen bekannt und standardisiert wurde, aber schon vor und zu seiner Zeit nicht die einzige psychotherapeutische Vorgehensweise war.

    Entgegen dem "Eindruck", den Frau Rebbam angibt, von "der Mehrheit der Befragten" einer nach ihrer eigenen Feststellung "natürlich nicht repräsentativen" Gruppe von 40 Kommilitonen gewonnen zu haben (Angabe zur Geschlechterverteilung fehlt), führte die real schon seit dem 19. Jh., also seit weit über einhundert Jahren "heraufziehende Erforschung des Gehirns mit naturwissenschaftlichen Mitteln" selbst bei einem gelernten Naturwissenschaftler und Hirnforscher wie Freud nicht zum Ende "der Zeit der Psychotherapie", sondern im Gegenteil zu ihrer Erweiterung und zwar in einem derartigen Ausmaß, dass es heute trotz seines einflussreichen, naturwissenschaftlichen Kriterien verpflichteten spekulativen Gedankengebäudes, von dem ein Teil in mechanistischer Tradition sogar als "psychischer Apparat" bezeichnet wird, nach der Zählung einiger Eifriger nachgerade Hunderte von Psychotherapieverfahren geben soll.

    Widersinnige Folgen haben Ansichten und Bemühungen von Hirnforschern ersichtlich also schon damals gehabt. Angesichts dessen drängt sich natürlich die Frage auf, wie realistisch die theoretischen Annahmen von Neurowissenschaftlern eigentlich sind; die theoretischen Konstruktionen von Freud wurden schon 1912 für unzureichend befunden, während sein praktisches Vorgehen für bestimmte Zwecke heute nach wie vor sinnvoll und insoweit auch zweckmäßig ist.

    Die Zuschrift von Frau Rebbam nötigt dagegen nachgerade zu fragen, wie realistisch eigentlich die Gesundheitspolitik hierzulande sein kann, wenn Denken und Wissen von Studenten der Politikwissenschaft derart miserabel ist, wie es nach ihrer Zuschrift scheint.
  • "Psychotherapie"- Nur noch für ältere Semester?

    13.08.2010, Stefani Rebbam, Bonn
    Als Student der Politikwissenschaft (Gesundheitspolitik) habe ich nach Kenntnisnahme des Artikels vor einigen Tagen einmal eine natürlich nicht repräsentative Umfrage unter Kommilitonen gestartet. Von ca. 40 Befragten würden lediglich zwei eine "Psychotherapie" machen. Die Mehrheit würde bei negativer Stimmungslage (geisteswissenschaftlich auch als Depression bezeichnet) Tabletten einnehmen, die man über das Internet leicht bekommt. Die Mehrheit der Befragten hielten "Psychotherapien" weitestgehend für unwissenschaftlich und verbanden diesen schillernden Begriff mit dem Literaten S. Freud. Man konnte den Eindruck gewinnen, dass die Zeit der "Psychotherapie" in Anbetracht der heraufziehenden Erforschung des Gehirns mit naturwissenschaftlichen Mitteln an ihr Ende gelangt ist, und das wäre auch für unser Gesundheitssystem von Vorteil.
  • Suggestiv, aber bedeutungslos

    12.08.2010, Dr. Christian Hoppe, Bonn
    In dem gesamten Beitrag fehlen leider Daten adäquater Kontrollgruppen, z.B. unbehandelter Patienten. Daher sind sämtliche statistischen Angaben zwar höchst suggestiv, tatsächlich aber bedeutungslos. Dass zehn Prozent der behandelten Patienten ein Jahr nach einer Psychotherapie schlechter dran sind als zuvor, wäre nur dann ein negativer Behandlungseffekt, wenn ein deutlich niedrigerer Prozentsatz unbehandelter Patienten ein Jahr nach dem Beginn der Symptomatik schlechter dran wäre als zu Beginn - das halte ich jedoch für unwahrscheinlich.

    Dieselbe Kritik trifft auch das Diagramm auf S. 36: Die eindrucksvollen Daten klinisch relevanter Verbesserungen nach Psychotherapie stellen solange keine Verbesserungen auf Grund der Psychotherapie dar, wie man keine Verlaufsdaten von unbehandelten Patienten kennt.

    Sehr irritierend finde ich zudem die Wiederbelebung des psychoanalytischen Mythos der Symptomverschiebung (S. 35); empirisch gibt es keine Belege für dieses Konzept. Die Autoren sind Psychiater und Psychoanalytiker. Die Psychiatrie kämpft derzeit damit, dass die Wirksamkeit z.B. der Antidepressiva bei genauerer Betrachtung weit geringer ist als gedacht und die häufigen Nebenwirkungen (einschließlich erhöhter Suizidalität) kaum aufwiegt. Die Psychoanalyse ist potenziell gefährlich (vgl. Suizidrate in der Menninger-Studie), häufig wirkungslos und in jedem Fall ineffizient. Vertreter dieser keinesfalls aus wissenschaftlichen Gründen immer noch sehr einflussreichen Therapierichtungen sollten nicht suggestiv und mit statistisch fragwürdigen Hinweisen auf mögliche "Nebenwirkungen" gegen etablierte und wissenschaftlich bewährte psychologische Psychotherapieverfahren querschießen. Letztlich wurden mit diesem Beitrag unnötigerweise Patienten verunsichert, die von einer qualifizierten Psychotherapie sehr wahrscheinlich profitieren könnten.
  • Falsches Ergebnis

    03.08.2010,
    Der Inhalt der Studie von Spike Lee und Norbert Schwarz erscheint mir falsch wiedergegeben zu sein. In Ihrem Artikel heißt es: "Die Gruppe ohne Waschpause beließ es eher bei der ersten Hitliste, während die frisch Gesäuberten ihre Entscheidung häufig korrigierten." Ist es nicht genau umgekehrt, und die Probanden blieben bei Ihrer Entscheidung?
    Stellungnahme der Redaktion

    Vielen Dank für Ihren Hinweis. Andere Leser haben uns ebenfalls darauf aufmerksam gemacht, die Aussage in unserer Nachricht "Schäumendes Dementi" sei falsch. In der Tat war wohl unsere Beschreibung etwas irreführend. Das Experiment von Spike Lee und Norbert Schwarz lief folgendermaßen ab:



    Die Wissenschaftler ließen Probanden eine Hitliste von zehn CDs erstellen und boten ihnen daraufhin an, entweder die CD an fünfter oder an sechster Stelle behalten zu können. Da es zwischen der fünft- und der sechstplatzierten CD keinen großen Präferenzunterschied gab - die Alternative also genauso attraktiv erschien -, trat bei den Testpersonen ein so genannter Dissonanzeffekt auf: Die Probanden waren sich ihrer Wahl unsicher.



    Anschließend wusch sich eine Hälfte der Probanden die Hände, die andere Hälfte nicht. Im Folgenden stellten sie erneut eine Top Ten auf - die Forscher schauten sich aber nur den Stellenwert der einen, explizit ausgewählten CD an. Bei den "sauberen" Versuchspersonen blieb besagte CD ungefähr an der gleichen Position, während bei den ungewaschenen Probanden die gewählte CD auf der Hitliste meist nach oben rutschte. Das heißt: Letztere Gruppe rechtfertigte ihre Entscheidung, indem sie die CD besser platzierte, während die Gruppe mit gewaschenen Händen diesen Rechtfertigungsdruck nicht verspürte und daher die gewählte CD auch nicht bevorzugte.



    Wir fragten den Psychologen Spike Lee, ob die "gewaschenen" Probanden - wie in unserer Nachricht beschrieben - bei einer zweiten Wahl ihre vorherige Entscheidung korrigieren würden. Seine Antwort: "Ihre Interpretation war in der Hinsicht korrekt, dass Händewaschen Bedenken über die Vergangenheit wegspült und mit ihnen auch die Neigung, die eigene Wahl bestätigen zu müssen. Infolgedessen verschwand bei den Probanden, die ihre Hände gewaschen hatten, der Druck, die selbst gewählte CD als besser zu bewerten. Man könnte aus diesen Ergebnissen schließen, dass man nach dem Händewaschen offener dafür ist, sich anders zu entscheiden. Wir untersuchten jedoch nicht eine zweite Wahl, sondern den Rang der gewählten CD vor und nach der Entscheidung."



    Bitte entschuldigen Sie, wenn unsere Darstellung etwas verwirrend erschien.



    Mit freundlichen Grüßen



    Mona Bossemeyer

  • Verhaspeln

    25.07.2010, Kai Hiltmann, Coburg
    Vermutlich gehen wir intuitiv davon aus, dass jemand sich eher verspricht, wenn er lügt, und das Muster wird eben auch auf Nichtmuttersprachler übertragen.
  • Nachweis von Fremdenfeindlichkeit?

    23.07.2010, F. Lohnert, Hannover
    Danke für Ihren Bericht über die Wahrnehmung von Akzent als weniger glaubwürdig. Bei anderen Studien wird oft anhand von Gehirnreaktionen eine Fremdenfeindlichkeit unterstellt, die m.E. zum Teil schlicht auf natürliche Reaktionen des Gehirns zurückgeht (z.B. Angst vor dunklen Gestalten, die man nicht eine ganze Kindheit um sich hatte).
  • Bluthochdruck

    16.07.2010, Walter Micke
    Ich hatte zu hohen Blutdruck. Dass der irgendwo herkommt, hat der Hausarzt nicht bedacht und die Ärzte im Krankenhaus nicht beachtet, obwohl ich so gelähmt war, dass ich mich nicht bewegen konnte, als ich ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Ich hatte eine Entzündung, wie mir gesagt wurde, aber wo die herkommt, wusste keiner, auch nach mehr als einer Woche nicht. Behandelt wurde ich deshalb nur auf meinen zu hohen Blutdruck. Dafür musste ich Tabletten einnehmen ohne die Ursache zu beseitigen. Wenn ich das nicht überlebt hätte, kein Hahn hätte nach mir gekräht! Nur der "Liebe Gott" im Himmel weiß, wie oft das vorkommt. Jetzt benutze ich eine Nasendusche, das warme Meersalz-Wasser spült die Bakterien weg, die mein Blut vergiftet haben. Das hätte mir einer der "weißen Götter", denen ich in den drei Jahren begegnet bin, ruhig sagen können!
  • Suizidhilfe

    15.07.2010, Prof. Dr. Dr. Norbert Hoerster
    Man kann Axel Bauer nur zustimmen, wenn er als "unanständig" bezeichnet, "wenn Menschen die Gesellschaft dazu zwingen wollen", ihren Tod herbeizuführen. Niemand aber, der es für illegitim erklärt, Beihilfe zum Suizid und aktive Sterbehilfe staatlich zu bestrafen, will einen solchen Zwang ausüben. Wird etwa ein Arzt dazu gezwungen, einen Embryo abzutreiben, nur weil diese Abtreibung nicht mehr bestraft wird? Oder wird irgendjemand gezwungen, sich homosexuell zu betätigen, nur weil Homosexualität nicht mehr bestraft wird? Wer die Straflosigkeit einer bestimmten Handlung mit einem Zwang zu dieser Handlung gleichsetzt, kann entweder selber denken, oder er versucht Menschen, die nicht denken können, in die Irre zu führen.

    Außerdem kann - entgegen der ausdrücklichen Behauptung von Axel Bauer - die Straflosigkeit der Beihilfe zum Suizid und der aktiven Sterbehilfe durchaus "mit der Autonomie des Menschen legitimiert werden".

    Richtig ist zwar, dass nicht jeder beliebige Sterbewunsch - wie etwa der einer zwanzigjährigen Frau aus Liebeskummer - Ausdruck einer rationalen, autonomen Entscheidung ist und damit eine Sterbehilfe legitimiert. In einem solchen Fall ist die Person selber ja später froh darüber, wenn ihrem Wunsch nicht entsprochen wurde.

    Ganz anders aber liegen die Dinge, wenn ein Patient, der einem schweren, unheilbaren Leiden ausgesetzt ist, auf Grund freier und reiflicher Überlegung seinen Tod wünscht. Und es gibt in Deutschland jährlich allein mehrere tausend Krebspatienten, denen auch die beste Schmerztherapie nicht mehr helfen kann.

    Was selbst in solchen Fällen hinter der Verurteilung jeder Sterbehilfe steht, ist in Wahrheit die Einstellung der Kirchen, wonach jedes menschliche Leben, wie es heißt, "Eigentum und Geschenk Gottes" ist und die Menschen sich deshalb nie "zu Herren über Leben und Tod machen" dürfen. Freilich lässt sich mit einer offenen Vertretung dieser Einstellung in einem religiös neutralen Staat keine Bestrafung mehr begründen. Also erfindet man die abwegigsten Scheinargumente, um so seinen religiösen Überzeugungen rechtliche Geltung zu verschaffen.
  • Lösungen lauern überall

    14.07.2010, Dr. Angela Scaglione, Bochum
    Nun ist über ein Jahr seit meiner Brustkrebsoperation vergangen, wonach ich mich für einen biomedizinischen Therapieansatz bewusst entschieden habe (Biophoton, Hyperthermie, Bioresonanz, Homöopathie, Moxa, Akupressur, gesunde Ernährung, interne/externe Bewegung ...).

    Die Ergebnisse meiner Nachsorgeuntersuchungen am 09.07.2010 sind erfreulich ausgefallen. Grund zu feiern, Grund mitzuteilen, dass es wichtig ist, ein gutes selbstbewusstes Lebensgefühl zu entwickeln und sich aktiv an den Gesundheitsprozess zu beteiligen.

    Der biomedizinische Therapieansatz hat mich entspannt, erfreut, grundsätzlich meine Stimmung gehoben. Für meine Person war dieser Ansatz die beste Wahl. Mögen diejenigen, die diesen Brief lesen werden, ermutigt werden vielleicht auch andere Wege (zusätzlich) zu gehen.

    Lösungen lauern überall ...

    Gesunde Grüße

    Angela Scaglione
  • Mit Würde aus dem Leben scheiden

    05.07.2010, Ulrich Heemann, Ronnenberg
    Lieber Herr Bauer,

    Sie sagen, dass es unethisch sei, wenn "Menschen die Gesellschaft dazu zwingen wollen, auch noch den Tod für sie zu organisieren oder ihn gar herbeizuführen". Aber davon kann doch gar keine Rede sein!

    Erstens ist es derzeit gerade umgekehrt. Die Gesellschaft zwingt durch Gesetzgebung etwas auf, in diesem Fall gerade dem Schwachen, Leidenden. Wobei das, was die Gesellschaft will, eigentlich ganz etwas anderes ist (ich habe die genauen Zahlen der Umfrageergebnisse nicht im Kopf, aber Sie werden Ihnen sicher zur Hand sein). Tatsächlich war es doch eine Regierung, die derartige Gesetze - ganz sicher unter Einfluss christlicher Normen - erließ oder aber sie heute nicht zu ändern wagt. Es handelt sich also um eine politische Vorgabe, nicht um eine gesellschaftliche (auch wenn die Politik eigentlich Vertreter der Gesellschaft sein sollte).

    Zweitens geht es hier nicht darum, dass jemand gezwungen werden soll, sondern dass uns die natürliche Freiheit wiedergegeben wird, Entscheidungen zu treffen. Das gilt auch für die Helfenden. Zweifellos sollte sichergestellt werden, dass dabei Missbrauch soweit wie irgend möglich vermieden wird. Gegen die gesetzlich vorgeschriebene Einbeziehung von Ärzten, Psychologen, Anwälten oder auch Pfarrern etc. (nicht alle gleichzeitig) hätte ich dabei nichts einzuwenden. Und - um ein Geschäft zu vermeiden - eine rein ehrenamtliche Tätigkeit in dieser Angelegenheit könnte nicht nur dem von Ihnen bemängelten Zwang jede Grundlage entziehen.

    Drittens auch kann eine - wenn auch schwache - Mehrheit in Regierung und Parlament gegen eine Liberalisierung kein sehr gutes Argument abgeben, dem Einzelnen sein Entscheidungsrecht zu nehmen. Die Liberalisierung der Schwangerschaftsabbrüche wurde doch auch nicht nur von denen umgesetzt, die selbst derartiges vorhatten oder befürworteten, sondern von denen, die den Menschen ihr Selbstbestimmungsrecht wiedergeben wollten, ohne damit den einzelnen Abbruch fördern zu wollen. Zugegebenermaßen wird damit ein Aspekt demokratischer Entscheidungsprozesse angesprochen, der über das hier behandelte Thema hinausgeht.

    Sie zweifeln, dass durch die Erleichterung der Möglichkeit zum Suizid dieser teilweise verhindert werden könne. Diese Zweifel mögen berechtigt sein, obwohl die erwähnten Menschen sicher mit ernsten Anliegen um Hilfe baten und diese dann doch nicht in Anspruch nahmen. Aber wie auch immer der tatsächliche Hintergrund dieser Zahlen sein mag: Es geht hier nicht primär darum, Suizide zu verhindern, sondern diese zu ermöglichen! Daran darf gar kein Zweifel bestehen, und Nebenargumente, die von zweifelhafter Berechtigung sein mögen, können nicht als Beweisumkehr genutzt werden.

    Dennoch kann ich persönlich mich Ihren Zweifel nicht voll anschließen. Wir alle haben ständig 1000 Möglichkeiten zur Hand, unserem Leben ein Ende zu setzen, von der einfachen Wäscheleine bis zum Sprung von der Brücke. Doch kaum jemand nutzt dies wirklich - wenn auch die Zahl der Suizide viel zu hoch sein mag. Hier geht es um die Möglichkeit, seinem Leben in einer als unerträglich und aussichtslos empfundenen Situation ein Ende zu setzen. Insbesondere das eigene Leben ist ein so hohes Gut, dass niemand damit leichtfertig umgeht - die äußerst irrationalen und unreifen Empfindungen eines unglücklich Verliebten stehen hier ja nicht zur Diskussion. Hier geht es um die Entscheidung erwachsener und in der Regel alter, lebenserfahrener Menschen, die vermutlich nie vorher einen Suizidversuch gemacht haben. Dass nur ca. die Hälfte der erwähnten Personen tatsächlich Suizid beging, zeigt doch das verantwortungsbewusste Handeln dieser Menschen. Oder würden Sie die gesetzliche Freigabe erst dann unterstützen, wenn niemand mehr davon Gebrauch macht? Glauben Sie, dass der Staat diese Entscheidung per allgemeinem Verbot verantwortungsbewusster treffen kann als der selbst Betroffene? Hier geht es doch darum, diesen unbestritten leidenden Menschen ein Mittel an die Hand zu geben, mit Würde aus dem Leben zu scheiden und ihnen das auch dann zu ermöglichen, wenn sie dazu selbst nicht mehr in der Lage sind. Auch Sie werden nicht die Auffassung vertreten, dass die Alternativen Sprung vor ein Auto oder von einer Brücke, Erhängen oder Ertrinken, sofern sie diesen betroffenen Menschen noch zur Verfügung stehen, irgendetwas mit Würde zu tun haben. Sie haben nicht einmal die Möglichkeit, sich bewusst von ihren Verwandten oder Freunden zu verabschieden und stürzen damit auch diese in einen Schock, der oft lange nachwirkt und Ursache für weiteres Leid ist. Dabei ist gerade bei alten Menschen diese Praxis alltäglich. Hätten sie die Möglichkeit gehabt, vorher angstfrei mit ihren Mitmenschen darüber zu reden, so wäre allein dadurch vielen sicher bereits eine große Last genommen (dies sollte auch von Ihnen nachempfunden werden können), und ihre Umwelt könnte angepasster und verantwortungsvoller handeln als dies vorher der Fall war.

    Warum darf man diesen Menschen nicht ihre sehr schwere, verzweifelte Situation erleichtern? Wenn hier von ethischer Verantwortung der Gesellschaft die Rede ist, dann wäre sie ggf. darin gegeben, alten Menschen stärker aus ihrer Vereinsamung (ein wirklich schweres Schicksal) herauszuhelfen, die oft auch die Ursache ist. Damit könnte ggf. ein großer Anteil der Selbsttötungen in weit befriedigenderer Weise abgewendet werden. Ein Rest, der die oben angesprochenen Freiheiten aber auch dann immer noch benötigt, bleibt trotzdem.

    Und sollte ein kleiner Teil davon vorschnell oder "falsch" (wer urteilt?) sein, so wäre dies auch bei Verlust eines Lebens klein im Vergleich zu vielen anderen falschen Entscheidungen von Menschen, die weit mehr als ein paar Jahre des Lebens kosten, durchaus ertragbar.

    Dagegen habe ich große Zweifel an Ihrer Argumentation, der Suizid folge aus tiefer Verzweiflung und sei somit nicht selbstbestimmt. Wenn andere für den des Lebens Müden gegen dessen Willen entscheiden, wird jegliches Autonomieargument total ad absurdum geführt. Mit wie viel stärkerer Berechtigung müssten Sie sich nicht gegen jede Eheschließung wenden, denn Liebe ist ein Gefühl tiefen Glücksempfinden, begleitet, ja hervorgerufen vom Ausstoß einer Fülle von körpereigenen opiatähnlicher Substanzen, die das Hirn in solcher Situation ausstößt und tatsächlich, nicht als Übertreibung gemeint, geradezu verrückte Handlungen zur Folge haben kann. Freie Willensentscheidung offensichtlich ausgeschlossen.

    Ich denke, auch Sie werden zukünftig vorsichtig sein, einem Menschen, der sich in tiefster Verzweiflung befindet, die Befähigung zur Selbstbestimmung absprechen. Handelt es sich doch auch um eine Situation, in der wohl jeder Mensch nachempfinden kann, dass die Entscheidung der Betroffenen eben so ausfällt und nicht anders. Wie also kann man dem dann die Rationalität absprechen?
  • Der eigentliche Ton macht die Musik

    04.07.2010, Dr. Julia M. Siebert, Rinteln
    "Klänge gibt's, die gibt's gar nicht" - mit dieser Überschrift weckte der gleichnamige Artikel in der Zeitschrift "Gehirn&Geist" Nr. 7-8/2010, meine volle Aufmerksamkeit, denn ich forsche und lehre auf dem Gebiet der Zuhörforschung. Laut der Veröffentlichung ihrer Ergebnisse in der Fachzeitschrift "Nature Neuroscience" 13(6) bewiesen die Forscher um Kaspar Meyer von der University of Southern California in Los Angeles, dass Erinnerungen an einen Klang ähnliche Reaktionen im Hörzentrum hervorrufen wie das tatsächliche Geräusch. Eine "Tatsache", die den meisten Menschen vielleicht zunächst weder ungewöhnlich noch besonders bedeutsam erscheinen mag? - Weit gefehlt!

    Doch zunächst ein Beispiel dafür, dass schon die "bloße" Erinnerung an ein Geräusch (z.B. an das Summen bzw. Brummen einer Wespe) Ihr Hörzentrum in ähnlicher Weise aktiviert wie der echte Sinnesreiz: Wahrscheinlich erlebten Sie dieses oder ähnliches schon: Ihr Fernsehgerät ist auf lautlos gestellt. Zugleich ist Ihr Blick auf den Bildschirm gerichtet. Den bewegten Bildern entnehmen Sie, wie ein halb maskierter Räuber mit gezogener Pistole in eine Bankfiliale stürmt. Dessen Lippen formen Worte, die Sie förmlich "hören" können: "Hände hoch, dies ist ein Banküberfall!"

    Was sich hier in Ihrem Gehirn bzw. zwischen Ihren Ohr abspielte, ist das, was Kaspar Meyer u.a. kürzlich per funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT) nachwiesen: Menschen ersetzen und erkennen fehlende Geräusche auf Grund ihnen bekannter Hörmuster. Mehr noch, die Aktivitäten primärer Wahrnehmungszentren sind oft stark vom subjektiven erleben abhängig.

    Dass diese Ergebnisse in ihrer Konsequenz jedoch hoch bedeutsam sind für zwischenmenschliche Beziehungen und gelebte Beziehungsqualität in Beruf und Alltag, wies ich als Kommunikationsforscherin in meiner Studie "Hört - aber fair! Auditive Kompetenzen zur Vermeidung von Beziehungsstörungen" nach. In dem von mir entwickelten "Training auditiver Kompetenzen" (TAK), arbeitete ich heraus, dass einerseits unreflektierte bzw. unbewusste Zuhörmuster ursächlich für Kommunikations- und Beziehungsstörungen verantwortlich gemacht werden müssen. Andererseits belegte ich, dass die von mir TAK-trainierten Studierenden, Eltern und Führungskräfte nicht nur deren auditiven Kompetenzen erhöhten, sondern insbesondere deren Zuhör-, Verstehens- und Beziehungsfähigkeiten steigerten.

    Dazu ist es notwendig, sowohl seine Zuhörbiografie als auch seine gelernten Hörmuster zu (er-)kennen, um anschließend aus der Vielzahl an Höroptionen das Gemeinte wahrzunehmen und schließlich "sprechersynchron" (= das Gesagte wie gemeint) zu verstehen.

    Hierzu ein Beispiel für eine dauerhaft gelingende Beziehung:
    Nichts in einer Beziehung, sei es in der Partnerschaft, in der Erziehung oder unter Kollegen, zieht dermaßen zerstörerische/eklatante Folgeerscheinungen mit sich wie simplifiziertes Zuhören. Stellen Sie sich vor, Ihr Partner bzw. Ehemann kehrt am Abend von der Arbeit nach Hause. Sie erkundigen sich in aufrichtiger Absicht nach Seinem Wohlergehen: "Na, wie geht es dir? Anstrengenden Tag gehabt?" Daraufhin erwidert dieser Ihnen erschöpft und grübelnd: "Mhm, geht so." TAK-untrainiert und evtl. Ihren "alten" Hörmustern folgend, würden Sie jetzt verstehen: "Ja, ich bin müde und habe keine Lust über meinen Tagesablauf zu sprechen. Lass mich in Ruhe, ich brauche deine Zuwendung jetzt nicht!" Als TAK-trainierte Zuhörerin sind Sie jedoch auditiv so sensibilisiert, dass Sie sich Ihrer üblichen bzw. gewohnten und automatisierten Hörgewohnheiten wieder bewusst werden und er-hören, dass da "noch etwas mehr" in dem Tonfall Ihres Partners bzw. Ehemannes mitklingt und in dessen Aussage keineswegs eine Kränkung bzw. Missachtung Ihrer Person mitschwingt. So fragen Sie einfühlsam an: "Sag mal, in meinen Ohren klingst du erschöpft und nachdenklich. Was ist geschehen?" Daraufhin berichtet Ihr Gesprächspartner, wie betroffen bzw. traurig er über die Kündigung eines geschätzten Mitarbeiters sei, welchen beruflichen und persönlichen Verlust er nun fürchtet, und wie wohltuend es wäre, so eine sorgende Zuhörerin in Ihnen gefunden zu haben!
  • Willkommen in der Realität

    28.06.2010, Michael Kühnapfel, Fellbach
    ... würde man schreiben wollen, wenn der Artikel nicht diesen gewollt satirischen Duktus hätte. Er klingt, mit Verlaub, etwas nach Akademiker-Hybris. Das Arbeitsleben ist halt so, wie beschrieben, und wer, wie Herr Winters, schlechte Arbeit abliefert, vor allen aber vergisst, für die Ware zu kassieren, der ist halt seinen Job auch gleich wieder los. Alles ganz normal und kein Aufreger, denn die wenigsten Menschen arbeiten, um Anerkennung zu bekommen; meist geht es schlicht darum, Geld zu verdienen, um sein Überleben zu sichern. Natürlich freut jeden die Anerkennung, das dürfte aber kaum im Vordergrund dessen stehen, was Menschen bei der Arbeit erwarten. Da wird aus einer sehr privilegierten Sicht heraus geschrieben, ohne Empathie, ohne Verständnis. Und warum im beschriebenen Fall überhaupt Anerkennung erwartet wurde, erschließt sich mir nicht. Überflüssig und ja, auch ärgerlich. Kurios - journalistisch ist dieser Artikel wohl die Entsprechung der missglückten Pizzaauslieferung.
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